Thema: Unterrichtsprojekt (gymnasiale Unterstufe) zum Thema: Lokaler Heiliger – Local hero. Ein Projekt zu Bruder Konrad von Parzham, einem Local hero (Georg Wagner) und den Schülern als „Helden des Alltags"

 

Materialbausteine:                            

M1: Rahmen

M2: Intentionen

M3: Ablauf (Hl. Bruder Konrad, Local hero – Georg Wagner, Fotoprojekt „Jeder kann ein Held sein!“)

M4: Möglichkeiten zur Weiterarbeit

M5: Vorbilder der Klasse

M6: Schlussreflexion

 

M1: Rahmen

Der Praxisversuch, auf den sich diese Projektskizze bezieht, fand im Mai 2009 in der Klasse 5 b/c des Gymnasiums Leopoldinum in Passau statt. Die 33 Schüler der Klasse, davon 17 weiblich und 16 männlich, sind alle römisch katholisch. Für das Projekt wurden zwei bis drei Unterrichtsstunden angesetzt. Hintergrund ist das Seminar „Helden, Heilige, Local heroes: Lernen an fremden Biografien“ des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts der Universität Passau im Sommersemester 2009.

 

 M2: Intentionen

Die Schüler sollen den hl. Bruder Konrad von Parzham auf diskursethisch orientierte Weise kennenlernen und in der Beschäftigung mit ihm erkennen, dass Heilige auch nur Menschen sind.[1] Außerdem ist es angedacht, dass die Schüler das wohltätige Handeln eines Local heros (Georg Wagner – vgl. Homepage) sehen und sich im Anschluss selbst aktiv mit dem Thema „Held des Alltags“ auseinandersetzen.

Das grundlegende Ziel ist also die Sensibilisierung für altruistisches Handeln.

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[1] Vgl. Mendl, Hans, Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biographien. Anregungen für die Unterrichtspraxis, Donauwörth 2005, 148.

 

M3: Ablauf

3.1. Hl. Bruder Konrad

Zunächst werden in einer freien Lehrererzählung den Schülern einige wesentliche Aspekte aus dem Leben des Bruder Konrad vor Augen geführt. Diese werden in Folgendem stichpunktartig aufgeführt:[2]

 

> Johannes Birndorfer, genannt Birndorfer Hansl

> *22. Dezember 1818 in Parzham

> Hansl hatte elf Geschwister.

> Er war ein eher ruhiger Junge.

> Als Kind ging Hansl natürlich auch in die Schule.

> Als Hansl 14 Jahre alt war, starb seine Mutter, zwei Jahre später sein Vater.

> Hansl arbeitete als Knecht auf dem elterlichen Bauernhof.

> Hansl betete recht viel, sogar beim Arbeiten.

> Er machte auch oft Fußwallfahrten, z.B. nach Passau nach Mariahilf.

> Wenn Hansl pilgerte und betete, dann dachte er viel über sein Leben nach und er spürte in sich den Wunsch, sein Leben ganz in den „Dienst Gottes“ zu stellen.

> Der Wunsch seiner Geschwister war, dass er den elterlichen Bauernhof übernimmt.

> Hof: ansehnliches Besitztum, fruchtbares Ackerland, gute Ernten – aber auch harte Arbeit

 

Damit den Schülern hier ein differenzierterer Zugang möglich ist, wird die Erzählung an diesem Wendepunkt seines Lebens unterbrochen, um die Motivation für seine Entscheidung ins Kloster zu gehen zu erwägen. Hier können sich die Schüler mit ihrem Wertebewusstsein aktiv einklinken und dieses artikulieren. Dadurch soll auch erreicht werden, dass die „Patina des Heiligen“ abfällt und der Heilige auf eine „menschlichere Ebene“ zurückfällt.[3]

Die Schüler werden an dieser Stelle gefragt, ob und warum Bruder Konrad den Hof übernehmen soll. Es ist anzumerken, dass vielen Schülern Johannes Birndorfer bzw. Bruder Konrad schon ein Begriff ist und einige den Hof bereits besucht haben.

 

Die Antwort der Schüler lautet: „Ja, er soll den Hof übernehmen!“ Darüber besteht großer Konsens in der Klasse.

Einige Gründe, die diese Entscheidung rechtfertigen könnten, werden angeführt:

> „Er ist dort aufgewachsen!“

> „Dort kann er mit Tieren umgehen!“

> „Er war ein guter Knecht!“

> „Dort hat er alles, was er braucht!“

> „Es war der Wunsch seiner Geschwister!“

> „Es ist seine Heimat!“

> „Er hat dort Arbeit!“

 

Nun werden die Schüler mit dem Wunsch Bruder Konrads konfrontiert ins Kloster zu gehen. Dazu werden mittels einer OHP-Folie hypothetische Meinungen ihm nahestehender Personen in den Raum gestellt. Die Schüler versuchen die innere Haltung der einzelnen Personen mit eigenen Worten nachzuvollziehen.


[2] Als inhaltliche Grundlage dient primär: Hofbauer, Anita/ Stadlberger, Martina, Entdecke Bruder Konrad von Parzham, Passau 2009.

[3] Vgl. Mendl, Hans, Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biographien. Anregungen für die Unterrichtspraxis, Donauwörth 2005, 141f.

 

OHP-Folie „Ich möchte ins Kloster gehen!“ [4]

 

Auf die Frage „Welche Gründe könnte Hansl gehabt haben, dass er ins Kloster gehen will?“ ersinnen die Schüler unter anderem diese Antworten:

> „Vielleicht möchte er immer mit Gott zusammen sein!“

> „Damit er ungestört beten kann!“

> „Vielleicht war ihm die Arbeit auf dem Hof zu viel!“

> „Weil er glaubte, das ist das Richtige für ihn!“

 

Die Lehrererzählung zu den Eckdaten seines Lebens wird fortgesetzt und beendet:

 > Hansl wollte also ins Kloster. Das war gar nicht so einfach! Zunächst wurde er nämlich abgelehnt.

> Erst als 31-Jähriger fand er in einem Kapuzinerorden Aufnahme.

> Der Birndorfer Hansl, Bauer aus Parzham, wurde von nun an Bruder Konrad genannt und trug die einfache Kutte der Kapuziner.

> 41 Jahre lang arbeitete Bruder Konrad im Sankt-Anna-Kloster in Altötting an der Klosterpforte.

> Wallfahrer kamen mit ihren Bitten und Anliegen zu Bruder Konrad.

> Arme Leute, darunter auch viele Kinder, baten ihn um Essen.

> Wenn Kinder an die Pforte kamen, ermunterte sie Bruder Konrad stets zum Gebet und betete selbst mit ihnen.

> Bruder Konrad versuchte, für jeden da zu sein.

> Er starb mit 75 Jahren.

> 1934 wurde er vom damaligen Papst heiliggesprochen.

 

Thematisiert wird zum Schluss der Einheit um Bruder Konrad dessen Heiligkeit. Dazu wird folgende Frage gestellt: „War das eigentlich so besonders, was Hansl bzw. Konrad in seinem Leben gemacht hat, dass er zum Heiligen erklärt wurde?“

Einige Antworten der Kinder:

> „Er half Armen!“

> „Er war nicht böse zu Kindern!“

> „Wenn er heiliggesprochen wurde, muss er ein Wunder bewirkt haben!“

> „Er hat sich nicht hinter die Klostermauern zurückgezogen!“

 

Anhand eines Infotextes wird der Heiligenbegriff näher eingegrenzt und etwas „geerdet“. Dieser findet sich auf einer Handreichung, die den Schülern nun ausgeteilt wird. Sie enthält auch die Daten zu Bruder Konrad.

 

Infotext: „Heilig?!

Bruder Konrad war also zunächst ein Mensch wie du und ich. Er hatte Eltern, die sich über seine Geburt freuten. Er hatte Freunde, mit denen er spielte und stritt. Er ging zur Schule. Er arbeitete als Knecht auf dem elterlichen Hof. Dann entschied er sich irgendwann, einen anderen Weg zu gehen.

So wurde er auch zu einem Menschen, durch den es den anderen leichter wird, an Gott zu glauben, zu einem Menschen, in dessen Gegenwart man die Nähe Gottes spüren kann.“ [5]

Anmerkung eines Schülers dazu: „Dann ist er ja auch einer, der Jesus nachfolgte!“

 

Handreichung „Bruder Konrad“

 

Als Überleitung auf den Local hero wird noch einmal festgehalten, dass Bruder Konrad Gutes an seinen Mitmenschen getan hat. Gleichzeitig wird die Frage gestellt, wo und in welcher Form Derartiges heute zu finden ist.

Die Schüler nennen primär Hilfsorganisationen, wie Caritas, Malteser und Unicef – wohl weil die Klasse vor kurzer Zeit selbst an einem Projekt von Unicef mitgewirkt hat. Die Antworten gehen jedoch ebenso in andere Richtungen. So stellt einer der Gymnasiasten fest, dass man auch als Ministrant der Gesellschaft in unterstützender Art zuträglich ist.

 

3.2 Local hero – Georg Wagner

Diese Einheit beschäftigt sich mit Pfarrmesner Georg Wagner aus Fürstenzell. Er organisiert regelmäßig Hilfsaktionen für notleidende Menschen in Rumänien.[6]

 


Bild von Pfarrmesner Wagner und den Bedürftigen (= Wagner, Georg - M2)

 

Etwa der Hälfte der Klasse ist Georg Wagner bereits aus der Grundschule bekannt. Dort durften sie ihn während einer Filmvorführung zu seinen Projekten persönlich kennenlernen. Außerdem beteiligten sie sich an einem Hilfstransport, indem sie Pakete zusammenstellten und ihm diese für eine seiner Rumänienfahrten mitgaben. Darüber, wie es ihnen dabei ging, berichten die Schüler unter anderem Folgendes: „Das ist komisch, wenn man nicht für sich selber einkauft!“ und „Das ist ein gutes Gefühl!“

 

In kleinen Gruppen zu etwa fünf Personen beschäftigen sich nun die Schüler mit je einem Zeitungsartikel und formulieren anhand von Leitfragen wesentliche Kerninhalte, die sie auf einem Plakat festhalten.

Die vier ausgewählten Zeitungsartikel, tragen diese Titel:

> Rumänienfahrt von Pfarrmesner Georg Wagner.[7]

> Kochen im Freien, Wohnen in der Lehmhütte: So hilft Georg Wagner Armen in Rumänien.[8]

> Mesner Georg Wagner brachte Freude.[9]

> Georg Wagner hilft seit 15 Jahren armen Rumänen.[10]

 

Je nachdem, welchen Bericht die Gruppen zu bearbeiten haben, bekommen sie einige der folgenden Leitfragen dazu gestellt:

> Welche Gefühle hat er bei seinen Rumänienfahrten?

> Wie leben die Menschen in Rumänien und welche Probleme haben sie?

> Welche Hilfe leistet Georg Wagner?

> Was sind seine Ziele?

> Welchen „Lohn“ erhält er?

 

Nach angemessener Bearbeitungszeit erfolgt die Präsentation einzelner Plakate durch einen Gruppensprecher und unter Einbindung der gesamten Klasse ein Meinungsaustausch über:

> Wagners Motivation.

> seine konkreten Maßnahmen.

> die Reaktionen der Menschen darauf.

> eine mögliche Vernetzung mit Bruder Konrad (Parallelen/ Unterschiede etc.).

 

 Einige der entstandenen Plakate:

 


 

 

 

 

 

 

 

Nach dieser Auseinandersetzung mit dem Local hero und dem Austausch über die Relevanz von Nächstenhilfe werden die jungen Gymnasiasten gefragt: „Wen der beiden findet ihr besser?“

 

Das Ergebnis: 13 Schüler meldeten sich für Georg Wagner, 20 für Bruder Konrad.

Zur Hinführung auf die nächste Einheit wird die untenstehende OHP-Folie aufgelegt, besprochen und dazu folgendes Gebet gesprochen:

 

„Jesus hat keine Hände, nur unsere Hände
um seine Arbeit heute zu tun.

Er hat keine Füße, nur unsere Füße
um Menschen auf seinen Weg zu führen.

Jesus hat keine Lippen, nur unsere Lippen
um Menschen von ihm zu erzählen.

Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe
um Menschen Liebe und Leben zu schenken.“[11]

 

OHP-Folie „Jesus – Menschen“ [12]

 

3.3 Fotoprojekt „Jeder kann ein Held sein!“

Dieser Teil will die Schüler gezielt aktivieren, indem eine noch emotionalere Komponente ins Spiel gebracht wird. Als Grundlage dient die These „Jeder kann ein Held sein!“.

Dazu überlegen sich kleine Gruppen zwischen drei und fünf Personen:

> Was tue ich „heldenhaftes“?

> Wie meistert man gut seinen Alltag und denkt auch an andere dabei?

 

Anschließend stellen die Gruppen nacheinander eine der Ideen als Standbild dar und werden dabei fotografiert. Die Kinder inszenieren unter anderem „Helden des Alltags“, die Streit schlichten, Erste Hilfe leisten, jemanden befreien, der beim Spielen zwischen zwei Heuballen geraten ist und so fort. Nachfolgend sind einige der Resultate aufgeführt.[13]

 

Rettungsaktion „Heuballen"

 

Ehrenamtliche Arbeit im Tierheim (Hunde werden ausgeführt)

 

Mathe-Nachhilfe

 

Mitarbeit in einem Behindertenheim

 

Rollstuhlfahrer begleiten

 

jemandem, der gestürzt ist, aufhelfen

 

jemanden vor dem Ertrinken retten

 


[4] Die Ausfertigung wurde entnommen aus: Hofbauer, Anita/ Stadlberger, Martina, Entdecke Bruder Konrad von Parzham, Passau 2009, 10.

[5] Der Text stammt aus: Hofbauer, Anita/ Stadlberger, Martina, Entdecke Bruder Konrad von Parzham, Passau 2009, 16. Er wurde leicht gekürzt bzw. variiert.

[6] Materialien zu Georg Wagner finden sich auf dieser Homepage (http://www.ktf.uni-passau.de/local-heroes).

[7] siehe http://www.ktf.uni-passau.de/local-heroes (Wagner, Georg - M1: PNP vom 18.5.2000, S.35.)

[8] siehe http://www.ktf.uni-passau.de/local-heroes (Wagner, Georg - M5: PNP vom 08.11.2000, Nr.257, S.33.)

[9] siehe http://www.ktf.uni-passau.de/local-heroes (Wagner, Georg - M7: PNP vom 22.12.2000, Nr.295, S.38.)

[10] siehe http://www.ktf.uni-passau.de/local-heroes (Wagner, Georg - M11: PNP vom 28.12.2004, Nr.302, S.30.)

[11] Gebet entnommen aus: Mendl, Hans/ Schiefer Ferrari, Markus (Hg.), Religion vernetzt 5. Unterrichtswerk für katholische Religionslehre an Gymnasien. Erarbeitet von Roland Feucht, Bernhard Haberl, Rudolf Sponsel, Edeltraud Weber unter Mitarbeit von Sebastian Schuhbeck, München 2004, 102.

[12] OHP-Folie entnommen aus: Grillhösl, Verena/ Staudt, Brigitte/ Weiss, Judith, Katholischer Religionsunterricht Jahrgangsstufe 5 nach dem Lehrplan für das Gymnasium in Bayern 2003/4. Materialien für den Religionsunterricht an Gymnasien 1/2004 (= Beiträge zur Unterrichtspraxis 1), München 2004, 66 (= M14).

[13] Bei einigen Kindern wurde das Gesicht unkenntlich gemacht, da nicht alle Erziehungsberechtigten einer Veröffentlichung im Internet zustimmten.

 

M4: Möglichkeiten zur Weiterarbeit

 Zur Fortführung dieser Sequenz wäre denkbar,

> eine Exkursion zum Bruder-Konrad-Hof  (Museum, Ausstellung) und nach Altötting zu unternehmen.

> einen Film über Bruder Konrad zu zeigen.

> Georg Wagner einzuladen.

> mit der Klasse ein karitatives Projekt zu unterstützen.

> einen gleichaltrigen Local hero vorzustellen.

> den Schülern eine Werthierarchisierung der Fotos versuchen zu lassen.

> Dilemma-Geschichten zu den Bildern zu entwickeln.

 

M5: Vorbilder der Klasse

Einige Wochen nach Abschluss des Projekts wurden die Schüler gebeten, ihre Vorbilder zu notieren. Im Hinterkopf stand dabei vor allem die Frage, ob der „Lokalheilige“ oder der Local hero auch mit dabei sind.

Die Ergebnisse zeigen die folgenden Bilder:

 

 

 

 

M6: Schlussreflexion

Angesichts der Tatsache, dass Bruder Konrad den Schülern schon recht gut bekannt war, stellt sich die Frage, ob dieser Heilige hierzulande gewissermaßen „overfamiliar“ ist. Die Arbeit mit der Klasse zeigte jedoch eher, dass die vorhandenen Vorkenntnisse als Anknüpfungspunkte zur Weiterarbeit nützlich waren und die Chance für eine vertiefte Beschäftigung mit Bruder Konrad boten. Die einzig wirklich ersprießliche Art sich mit diesem Heiligen – wie auch mit allen anderen – zu beschäftigen, ist sich auf diskurspädagogische Weise mit ihm auseinanderzusetzen.

Wie der Ablauf dieser Einheit gezeigt haben dürfte, bildet hier nicht das Endprodukt des Heiligungsprozesses den Ausgangspunkt, es geht vielmehr um menschlich nachvollziehbare Entscheidungssituationen und um problem- und wertbehaftete Situationen in seinem Leben.[1]

Die Antwort der Klasse auf die Frage nach der Hofübernahme, die im Widerspruch zur Intention Bruder Konrads stand, verursachte eine Perturbation, durch die merklich eine Auseinandersetzung mit den je eigenen Konstruktionsprozessen stattfand – auch indem die Schüler die Tragweite seiner Entscheidung erahnten.[2]

Allerdings war vor allem eine deutliche Distanz Konrads zur Lebenswelt der Schüler vernehmbar.[3] Die Option sein Leben im Kloster zu verbringen ist und bleibt für einen jungen Menschen, der noch sein ganzes Leben vor sich hat und dem quasi alle Wege offen stehen, herzlich wenig erstrebenswert. Wenngleich die Beschäftigung mit Bruder Konrad einige Gymnasiasten (wieder neu) auf diesen „Lokalheiligen“ aufmerksam werden ließ – mehrere Wochen nach dem Projekt brachte ein Schüler einen Zeitungsbericht zu Bruder Konrad in den Unterricht mit – und ebenso eine Vergegenwärtigung und vorsichtige „Erdung“ des Heiligkeitsbegriffs ermöglichte, die in der Alltäglichkeit der Person ansetzte – ein Schüler bemerkte: „Das, was er im Kloster machte, könnte eigentlich jeder!“ –,[4] ist dieser Heilige für den Einsatz in der Unterstufe insgesamt eher wenig geeignet.

Als sinnträchtiger könnte sich die Verwendung in einer höheren Jahrgangsstufe gestalten – z.B. im Zusammenhang mit der NS-Zeit (vgl. Heiligsprechung) –, wenn die Jugendlichen ein ausgeprägteres Bewusstsein für Geschichte entwickelt haben.

Dass bei der Abstimmung Bruder Konrad mehr Stimmen erhielt als Georg Wagner ist somit verwundernswert. Eine Diskussion in der Runde der Seminarteilnehmer ergab, dass das Ergebnis wohl kaum auf das Religionsstunden-Ich zurückzuführen ist. Eine Kommilitonin meinte, es liege vielleicht am „Promibonus“, den Bruder Konrad hierzulande innehabe.

Bei der Beschäftigung mit Georg Wagner war es wesentlich, dass die Schüler erkannten, dass er für sein Tun auch soziale Ankerkennung (unter anderem auch in Form von Zeitungsartikeln über ihn) bekommt. Dies ist insofern relevant, als dass sich die Kinder der 5. Jahrgangsstufe auf der dritten Stufe des von Lawrence Kohlberg entwickelten Modells[5] zum moralischen Urteilen befinden – bzw. im Übergang zu dieser sind. Hier steht die zwischenmenschliche Konformität im Mittelpunkt. Die Grundlage für gutes Handeln ist dabei das Streben danach, dass die Mitmenschen gut von dem handelnden Subjekt denken und so auch das Subjekt eine gute Meinung von sich selbst haben kann.[6] Diese Haltung kam im Meinungsaustausch über Wagner deutlich zum Ausdruck. Im Lauf des Gespräches wurden im Ansatz bei einigen jungen Gymnasiasten auch schon Elemente der vierten Stufe erkennbar, i. e. die Verantwortlichkeit gegenüber „dem System“.

Die Resultate der Standbildaktion, an der sich die Schüler mit großem Eifer versuchten, zeigen Handlungen in einmaligen, nicht planbaren Situationen, wie auch längerfristige Vorhaben. In allen dargestellten Begebenheiten ist relativ eindeutig, was das Gegenüber braucht. Ein Bewusstsein über die Notwendigkeit von uneigennützigem Handeln ist bei den Schülern vorhanden. Ersprießlich wäre hier sicher die Weiterarbeit mit den Bildern gewesen, etwa die Schüler eine Werthierarchisierung der Bilder versuchen zu lassen oder didaktisch aufbereitete Dilemma-Geschichten zu den Bildern einzusetzen. Dies war jedoch leider aus zeitlichen Gründen innerhalb dieses Praxisversuchs nicht möglich.

Die Aufgabe der Schüler ihre Vorbilder zu notieren zeigte, dass sie einen Vorbildbegriff haben. Neben sehr nahen (Vater, Mutter, Großeltern, Lehrer, Freunde, ...) und sehr fernen Vorbildern (Stars, Idole, Namenspatron, ...), tauchte auch die Hypothese vom autonomen Subjekt auf.

Abgesehen davon, dass im Leben des Schülers, der angeblich keine Vorbilder hat und seinen eigenen Weg gehen will, nichtsdestotrotz Orientierungsmarken vorhanden sei müssen, zeigen diese Angaben deutlich, dass der Bedarf besteht, Local heroes in dieser Hinsicht noch mehr zu etablieren.


 

[1] Vgl. Mendl, Hans, Heldendämmerung. Peinliche Überbauten oder Heilige der Unscheinbarkeit als Vorbilder in der religiösen und ethischen Erziehung?, in: Fonk, Peter/ Schlemmer, Karl/ Schwienhorst-Schönberger, Ludger (Hg.), Zum Aufbruch ermutigt. Kirche und Theologie in einer sich wandelnden Zeit, Freiburg – Basel –Wien 2000, 374-403, hier 388f.

[2] Lernen erfolgt als aktiver und konstruktiver Prozess des lernenden Subjekts. Vgl. Mendl, Hans, Religion erleben. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht. 20 Praxisfelder, München 2008, 57f.

[3] Vgl. Mendl, Hans, Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biographien. Anregungen für die Unterrichtspraxis, Donauwörth 2005, 151.

[4] Vgl. Mendl, Hans, Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biographien. Anregungen für die Unterrichtspraxis, Donauwörth 2005, 148.

[5] siehe Hilger, Georg/ Leimgruber, Stephan/ Ziebertz, Hans-Georg, Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf, München 2007, 410.

[6] Vgl. ebd.