ZfS: Herr Coordes, Sie haben sich schon vor Ihrem Studium intensiv mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt. Wie kam es dazu?
Coordes: Ich habe relativ früh Seminare zur persönlichen Entwicklung besucht und viele wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt –in der Rolle des Teilnehmers. Um als Dozent später in diesem Bereich fundiert arbeiten zu können, musste ich meine Vorkenntnisse auf eine wissenschaftliche Basis stellen. Die Entscheidung, Psychologie zu studieren, war die logische Schlussfolgerung. Auf diese Weise kam ich vielmehr umgekehrt, nämlich mit einem klaren Berufsziel vor Augen, zu meinem Fachstudium.
ZfS: War das eher ein Vor- oder Nachteil für Sie?
Coordes: Das ist schwer zu sagen. Denn das Studium hat mich kaum auf meinen Beruf vorbereitet. Ich habe wenig über zwischenmenschliche Kommunikation erfahren und habe auch nicht gelernt, wie ich meine Mitmenschen in kritischen Lebensphasen unterstützend begleiten kann. Allerdings schätze ich heute sehr, dass mir im Studium wissenschaftlich-strukturiertes Arbeiten vermittelt wurde. In meinem Tätigkeitsbereich kann ich außerdem immer wieder auf inhaltliche Studienfelder zurückgreifen und diese einflechten. Das sind klare Vorteile.
ZfS: Umso besser, dass Sie die praktischen Vorerfahrungen bereits mit in das Studium eingebracht haben. Was fasziniert Sie heute besonders am Coaching?
Coordes: Ich finde es besonders spannend mitzuerleben, wie sich Menschen in persönlichen oder beruflichen Umbruchsphasen verändern und allmählich in ihre Kompetenzen hineinfinden. Der Coaching-Kontext ist darüber hinaus ein sehr intensives Setting, in dem ich auch als Trainer menschlich sehr gefordert werde und mich persönlich weiterentwickeln kann.
ZfS: In unserem aktuellen Semesterprogramm bieten Sie ein Seminar zu den Erfolgspotenzialen der Persönlichkeit an. Was ist damit gemeint?
Coordes:Erfolgspotenziale sind diejenigen Faktoren, die uns eine optimale Beweglichkeit in der Welt ermöglichen. Im Theater der Antike wurde zum Beispiel die Maske, die der Schauspieler für eine bestimmte Rolle trug, als „Persona“ bezeichnet. Dieses Prinzip lässt sich auf die Gegenwart übertragen: Denn heute wird von uns erwartet, flexibel in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Das ist manchmal leider nicht so einfach, wenn unterschiedliche Ansprüche, Werte, Ziele und Vorstellungen aufeinandertreffen. Die verschiedenen Seiten auszugleichen und zu vermitteln ist deswegen die notwendige Voraussetzung für eine gute Gesundheit, beruflichen Erfolg und Beziehungsfähigkeit.
ZfS: Und warum ist das heutzutage besonders wichtig?
Coordes: Die Halbwertzeit von Wissen wird immer geringer: Während das „Was“ an Bedeutung verliert, rückt das „Wie“ zunehmend in den Vordergrund. Heute ist es mehr denn je entscheidend, Kontakte knüpfen zu können, Information zu beschaffen und Wissen zu vernetzen und anzuwenden. Der Einzelne muss deshalb eine innere Sicherheit entwickeln, die es ermöglicht, flexibel auf die sich ändernden Anforderungen in unserem Umfeld zu reagieren. Dadurch wird auch der Umgang mit der äußeren Unsicherheit und Komplexität erleichtert.
ZfS: Dabei spielen sicherlich vor allem sogenannte personale Kompetenzen eine wichtige Rolle. Haben Sie dazu ein konkretes Beispiel?
Coordes: Selbstbewusstes Entscheiden zählt beispielsweise zu den personalen Kompetenzen. Die Herausforderung dabei: Entscheidungen werden unbewusst und unwillkürlich getroffen, weit bevor sie uns ins Bewusstsein kommen. Unsere Präferenzen „offenbaren“ sich uns jedoch anhand sogenannter somatischer Marker. Darunter werden feine körperliche Empfindungen verstanden, die jeder bei genauem „Zuhören“ oder „Hineinhören“ in den eigenen Körper wahrnehmen kann. Wer sie kennt, wird in manchen Situationen leichter eine Entscheidung fällen können. Außerdem hilft es, sich intensiv mit den eigenen Werten und Zielen im Leben zu beschäftigen, um für sich selbst herauszufinden, was eine „gute“ oder „schlechte“ Entscheidung ist.
ZfS: Gibt es so etwas wie die richtige oder falsche Entscheidung denn wirklich? Oder ist es nicht viel wichtiger, sich überhaupt für eine Richtung zu entscheiden und sich in diese weiterzuentwickeln?
Coordes: Im Prinzip, ja. Denn eigentlich ist Persönlichkeitsentwicklung ein sehr weiches, introspektives Feld. Viele Studierende fragen mich allerdings nach den „Do’s“ und „Don’ts“, die es zu tun gilt, um beispielsweise Erfolg zu haben. Manchmal ist es schwierig ihnen zu vermitteln, dass die „richtige Lösung“ immer nur in der eigenen Persönlichkeit zu finden ist und dass es hier keine Patentlösungen geben kann. Ich möchte den Studierenden deshalb in den Seminaren die Möglichkeit geben, sich selbst zu erfahren und daraus ein gesteigertes Maß an Selbstbewusstsein zu ziehen.
ZfS: Sie halten auch ein Seminar über wertschätzende Führung. Wodurch zeichnet sich diese aus?
Coordes:Wertschätzende Führung charakterisiert sich dadurch, dass die Führungskraft nicht nur ihre eigenen Werte sondern auch die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzt. Wer in der Rolle der Führungsperson steckt, sollte daher zunächst für die daraus resultierenden besonderen Aufgaben und Anforderungen sensibilisiert werden. Dazu zählt zum Beispiel die Fähigkeit genau hinzuhören und den Mitarbeitenden den Raum zu geben, eigene Erfahrungen zu machen und diese gemeinsam auszuwerten.
ZfS: Wie bereiten Sie Ihre Seminarteilnehmer auf diese Anforderungen vor?
Coordes: Durch die Veränderung der eigenen Haltung werden die Teilnehmenden für die Bedürfnisse und Perspektiven ihrer potenziellen, späteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert. Denn die innere Haltung führt dazu, dass wir ein entsprechendes Verhalten zeigen: Wenn es mir wichtig ist, zu erfahren, was meinen Mitarbeitenden am Herzen liegt, dann werde ich auch danach fragen. Die notwendigen Fragetechniken können relativ leicht erlernt werden. Außerdem fördert auch die Erfahrung der eigenen Werte das Bewusstsein für das genaue und aufmerksame Hinhören.
ZfS: Wir jedenfalls haben Ihnen gerne aufmerksam zugehört und bedanken uns für das Gespräch.