Die antike Welt der Areopagrede
Paulus beschäftigt sich mit zwei verschiedenen Strömungen seiner Zeit
- Epikureer: Gehen zurück auf Epikur und versuchen ein gelingendes, freudvolles Leben zu führen. Sie legen dabei Wert auf Seelsorge und harmonisches Zusammenleben.
- Stoiker: Berufen sich auf Zenon von Krition und verstehen sich als Polytheisten (Menschen, die an mehrere Götter glauben). Selbstbeherrschung und Gelassenheit („Stoische Ruhe“), sowie ein umfassender Blickwinkel auf alles Wahrnehmbare prägen ihr Leben.
Ansätze zum Verständnis der Rede
- Möglichkeit: Als Traktat über rechte Gotteserkenntnis mit christlicher Schlusswendung; Evtl. heidnische Philosophie für eigene Missionsarbeit fruchtbar gemacht
- Möglichkeit: Als heidenchristliche Missionspredigt; in diesem Fall lukanisch verkürzte Wiedergabe einer Rede, die Paulus in Athen tatsächlich gehalten hat
» für beide Ansichten ernsthafte Argumente, aber die Rede darf keinesfalls isoliert betrachtet werden
Athen als Bezugsort
- Zentrum der Intellektuellen und Gebildeten der antiken Welt
- Areopag: Hügel in Athen, früher Adelsrat
- Inschrift „Einem unbekannten Gott“ von Paulus auf einem Altar entdeckt
-> zeigt deutlich, dass Athener Götter sehr verehrten, auch ihnen (noch) Unbekannte
- Paulus verhandelt Themen, die gebildete Athener bereits aus der antiken Philosophie kennen und deutet sie im Sinne des Christentums
-> wohl Mischung aus Abhandlung zur rechten Gotteserkenntnis und Missionspredigt
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In seiner Rede beschäftigt sich Paulus mit zwei verschiedenen philosophischen Strömungen seiner Zeit, nämlich den Epikureern und den Stoikern.
Die Epikureer gehen auf Epikur (3./4. Jhd. v. Chr.) zurück und haben teilweise sogar Ähnlichkeit mit dem Christentum. So leben sie beispielsweise großen Wert auf Seelsorge und ein gelingendes Zusammenleben, ebenso beschäftigen sie sich mit religiösen Fragen. Aber dennoch sind sie nicht als Religion zu werten. Im Gegensatz zum Christentum ist Gott bei ihnen außerhalb aller denkbaren Welten angesiedelt und sie hoffen auch nicht auf ein Leben nach dem Tod, da sie ihr Leben ihm Hier und Jetzt führen wollen. Deshalb ist ihr höchstes Ziel auch die Eudaimonie, ein gelingendes und freudvolles Leben. Um dies zu erreichen, wollen sie sich befreien von Angst, Schmerz, Unruhe, Besitzgier und unnötigen Bedürfnissen. So versuchen sie schließlich Seelenruhe zu finden. Den Epikureern wurde diese Philosophie also zu einem Leitfaden für ein gelingendes Leben, zu einer Art Lebenskunst.
Die zweite philosophische Strömung ist die Stoa. Sie wurde nach dem griechischen Begriff für eine Säulenhalle benannt und geht auf ihren Gründer Zenon von Krition (3./4. Jhd. v. Chr.) zurück. Eines der wichtigsten Prinzipien ist für die Anhänger, dass sie Wahrnehmbares aus einem ganzheitlichen, also alles umfassenden Blickwinkel betrachten. Sie verstehen sich als Polytheisten, glauben also an mehrere Götter, sehen in der Natur aber auch ein sogenanntes universelles Prinzip. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Stoiker mit den religiösen Bedürfnissen der Menschen. Deshalb sind sie auch für Paulus von großer Bedeutung.
Gleichzeitig dient die Philosophie, wie auch bei den Epikureern, dazu, ein gelingendes Leben zu führen. Der Mensch soll sich in die vorhandene Ordnung einfügen und sein Schicksal annehmen. Dies gelingt ihm durch Selbstbeherrschung und Gelassenheit. Aus diesem Grundsatz ergibt sich auch unser heutiger Ausdruck „Stoische Ruhe“.
Die Frage, ob die Rede des Paulus nun eher an die Stoiker gerichtet ist und ihnen zeigen soll wie man Gott richtig erkennen kann oder aber eher an die Epikureern, um die Ungläubigen zum Christentum zu bekehren, bleibt offen. Es ist wohl beides möglich.
Frage nach dem Grundcharakter der Rede des Paulus ist umstritten:
1. Möglichkeit
Rede als stoischer Traktat über die rechte Gotteserkenntnis mit einer christlichen Schlusswendung ABER: Bei dieser Möglichkeit könnte man die Rede als „nicht – paulinisch“ bezeichnen, da dieser vor allem in seinen Briefen die Person Jesu und seine Auferstehung verkündete. In der Areopagrede könnte man also sehen, wie die heidnische Philosophie für die eigene Missionsarbeit fruchtbar gemacht worden ist.
2. Möglichkeit
Rede als eine heidenchristliche Missionspredigt, die vor allem aus dem Alten Testament schöpft. ABER: Bei dieser Möglichkeit könnte man die Rede als lukanische verkürzte Wiedergabe einer Rede betrachten, die Paulus in Athen tatsächlich gehalten hat
Fazit
- Für beide Ansichten gibt es ernsthafte Argumente.
- ABER: Man darf die Rede nicht isoliert betrachten, da sie in eine reich ausgestattete Szenerie eingebettet ist.
- Diese Szenerie ist mehr als ein „Rahmen“ und sie kann durchaus eine Interpretationshilfe zum besseren Verständnis der Areopagrede liefern!
Neben den beiden wichtigen Strömungen ist auch Ort der Rede wichtig, nämlich Athen. Die Stadt wurde bereits zwischen dem 15. und 13. Jahrhundert v. Chr. gegründet, hatte ihre Blütezeit aber im 3./4. Jhd. bereits hinter sich. Obwohl sie wirtschaftlich ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte, war sie das Zentrum der Intellektuellen und Gebildeten der antiken Welt. Der Areopag, auf dem die Rede stattfand, liegt in ebendiesem Athen und war ursprünglich ein Adelsrat, später wurde ein Hügel danach benannt. Die Inschrift „Einem unbekannten Gott“ fand Paulus wohl auf dem Altar eines Tempels. Die Existenz von Tempeln zeigt deutlich, dass die Athener Götter sehr verehrten, gleichzeitig aber nicht wussten, welchem Gott der Tempel geweiht war. Paulus kann ihnen dies anhand des Evangeliums verdeutlichen. Damit ihm dies gelingen kann, muss er die christliche Botschaft in die Sprache übersetzen, die Griechen gewohnt sind und die sie auch verstehen. Für viele Zuhörer war die Rede von der Auferstehung wohl unbekannt und sogar anstößig, obwohl die Athener grundsätzlich großes Interesse an fremden Gottheiten hatten. Aufgrund ihres Vielgottglaubens ist es sogar möglich, dass sie Jesus und die Auferstehung als zwei einzelne Götter verstanden. Die Ansprache des Paulus ist aber keine übliche Missionsrede, um Heiden zu bekehren. Er unterhält sich mit den gebildeten Athenern und sucht Themen aus, die diese bereits aus der stoischen Philosophie kennen. Er greift also ihr eigenes Denken auf und deutet es im Sinne des Christentums. Somit ist die Areopagrede des Paulus eine Mischung aus einer Abhandlung zur richtigen Gotteserkenntnis und Missionspredigt, um Heiden zu bekehren.