Mein Glaube in Bewegung
Röser, Johannes (Hrsg.): Mein Glaube in Bewegung. Stellungnahmen aus Religion, Kultur und Politik, Freiburg/Br. 22008.
„Ich hoffe auf eine nicht privatistische, nicht verbürgerlichte christliche Religion, eine Glaubensverkündigung und eine Glaubenspraxis, die sowohl ohne Unterwürfigkeit als auch ohne Fanatismus auskommen. Das sollte es sein: Offenheit, selbstbewusst-bescheidene Angebote an die anderen, Angebote der praktischen Nächstenliebe, des Einsatzes für Solidarität und Gerechtigkeit, der Compassion mit den Schwachen, die Option für die Armen in der Nachbarschaft und in der Ferne! Und das dialogische Angebot, das Weitererzählen und Weitergeben von Geschichten, von Beispielen, von Modellen sinnvollen, gelingenden Lebens – die Bibel ist ja voll davon! –, von Lebenssinn und Glaubensüberzeugung. Und das Angebot des Glaubens an Gott als Befreiung von menschlicher Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung.
Wo die Kirche / die Gemeinde ein glaubwürdiger, weil menschengemäßer Ort, ein Lebensraum ist, wo wir solches überliefern, einüben, und darin bestärken lassen, wo Gottes-Erfahrung als überwältigende und zugleich uns tragende Erfahrung lebendig bleibt und zur Sprache kommt, wo Menschen sich verständigen können über ihre – unbegreifliche – Hoffnung, von der sie ihren Mitmenschen Rechenschaft geben, da wird Kirche Zukunft haben, auch in der säkularen Gesellschaft“ (S. 55-56)
Wolfgang Thierse, Mitglied des Deutschen Bundestags, von 1998 bis 2005 Präsident, seit 2005 Vizepräsident des Bundestags, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
„Auch wenn ich in einer sehr katholischen und kirchlich geprägten Umgebung aufgewachsen bin, habe ich nie den Eindruck gehabt, dass mir mein Glaube »schlüsselfertig« übergeben worden wäre und ich mich in diesem Fertighaus nur noch hätte einrichten müssen. Im Gegenteil: Immer wieder galt es, mühsam Stein auf Stein zu setzen, gerade errichtete Wände einzureißen, Schäden am Fundament auszubessern oder Umbaumaßnahmen vorzunehmen, weil plötzlich der Platz nicht mehr ausreichend war oder in einen Raum nicht genügend Licht fiel. (…) Aber wer ein Christ in einer sich ständig verändernden Gegenwart sein will, wird nicht umhinkommen, immer wieder neu an seiner mobilen Immobilie, die sich »Glauben« nennt, Umgestaltungen vorzunehmen. (…) Mein Glaube ist und bleibt eine Dauerbaustelle. Durch sie und mit ihr und in ihr bin ich daran gehindert, mich häuslich niederzulassen in der eigenen Erstarrung. Ziemlich chaotisch, sagen die einen; ziemlich bunt und lebendig, denke ich. Auf Wachstum und Zukunft angelegt eben. Denn das, was schon ist, kann schließlich nicht mehr werden.“ (S. 136-137)
Dr. Thomas Meurer, ab WS 2008/09 Professor für Katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
„(…) Du darfst denkend glauben und glaubend denken. Von dieser Grunderkenntnis her habe ich ein großes Herz für die Zweifelnden und die Fragenden bekommen und bin selber geschützt vor einer Form der Glaubenssicherheit, die sich in dogmatischen Richtigkeiten ausdrückt. In meinem Glaubensleben haben der Zweifel und das neugierige Fragen ebenso ihren Platz wie die Offenheit für immer neues Erkennen. Dies hat sich auf die verschiedenen Situationen meiner beruflichen Tätigkeit ausgewirkt. Niemals war ich unterschiedlichsten Glaubensfragen so existenziell ausgesetzt wie in der Zeit meines Gemeindepfarrdienstes. Die Konfrontation mit Leid und Freude, das Teilhaben am Schicksal von Menschen und das Mitleben mit den Gemeindegliedern haben mir eine Fülle von Antworten vermittelt, die mein eigenes Glaubensleben bereichern.“ (S. 196-197)
Dr. Ulrich Fischer, Bischof der Evangelischen Landeskirche von Baden, Karlsruhe.
„Das Besondere meines Glaubens besteht darin, dass dieser eben gerade nicht ausschließlich »mein« Glaube ist. Das gilt sowohl für den Glaubensinhalt wie für meinen subjektiven Glaubensvollzug. Es wäre ein individualistisches Missverständnis zu meinen, dass es möglich sei, den christlichen Glauben losgelöst von den anderen in der Innerlichkeit des eigenen Ich darzustellen oder aufrechtzuerhalten. Der Glaube gründet im Hören auf die Botschaft Jesu Christi (vgl. Röm 10,17), die für mich faktisch schon biographisch, aber notwendig auch theologisch vermittelt ist durch andere Menschen.“ (S. 205)
Prof. Dr. Wolfgang Klausnitzer, Fundamentaltheologie und Vergleichende Religionswissenschaft, Würzburg.
„Mein Glaube heute ist erfüllt von vielen Fragen, ein Gemenge von Zweifeln und Vertrauen, das ich vor Gott bringe. Meine Fragen haben wesentlich zu tun mit den Erfahrungen, die ich in dieser säkularisierten Welt mache: hier die universale Geschichte mit ihren Sinnlosigkeiten – dort das Vertrauen in das Walten Gottes; hier die Zufälligkeiten, die unser Leben steuern – dort das Setzen auf die göttliche Vorsehung; hier der von klaren Gesetzlichkeiten bestimmte Ablauf dieser Welt – dort das Rechnen mit dem Handeln Gottes und die Hoffnung auf ein Wunder.“ (S.316)
Prof. Dr. Sabine Pemsel-Maier lehrt katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.