In den beiden neu eingerichteten Sprachintensivklassen an der Staatlichen Berufsschule II lernen derzeit 32 jugendliche Geflüchtete Deutsch zu sprechen, zu lesen und zu schreiben. Unterstützt werden sie dabei von den „SprachPAten“, Lehramtsstudierenden, die am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Passau speziell ausgebildet wurden. Nach den ersten fünf Schulwochen konnten die Projektpartner bei einem Treffen am 29. April mit MdL Walter Taubeneder positive Zwischenergebnisse präsentieren.
Viele der 32 teils minderjährigen Schülerinnen und Schüler aus Syrien, Afghanistan, dem Senegal und Irak bringen nur eine lückenhafte Schulbildung aus ihren Heimatländern mit, der Großteil ist nicht alphabetisiert. Englischkenntnisse sind nur vereinzelt vorhanden, ihre Muttersprache ist Arabisch, Farsi, Dari oder Kurdisch. Wie schwierig es ist, etwas ohne gemeinsame Sprache zu vermitteln, demonstrierte Ana Katarina Althammer, Projektkoordinatorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Passau, zu Beginn des Projekttreffens eindrücklich: Sie hielt einen kurzen Vortrag auf Kroatisch und blickte in die erstaunten Gesichter der Teilnehmenden. Sprachpatin Nicole Adler erklärte: „Zu Beginn unserer Ausbildung hat Frau Althammer eine ganze Stunde nur Kroatisch gesprochen. Man kann sich dann schon sehr gut einfühlen, wie es sein muss, wenn man als Schüler kein Wort versteht und nicht weiß, was die Lehrkraft von einem will.“
Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen berichteten Klassenleiter Christoph Winzinger sowie die Lehrkräfte Simon Haltenhoff und Ulrich Bauer über große Fortschritte nach nur fünf Wochen Unterricht in den Sprachintensivklassen. Deutsche Worte aus dem Unterrichtsgeschehen würden erkannt, könnten wiedergegeben und teils nach Diktat geschrieben werden. Vokabeln des Alltagsgebrauchs seien eingeführt, ebenso wie Zahlen, Daten und Uhrzeiten. Möglich ist dies vor allem auch durch die tatkräftige Unterstützung im Rahmen des neuen Sprachpatenprojekts EmPAthie. „In den Unterrichtsstunden wirken zumeist ein oder zwei Sprachpaten mit“ erläuterte Simon Haltenhoff, der den Einsatz der Sprachpaten koordiniert. „So können wir viel individueller auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler eingehen und in kleineren Gruppen arbeiten, was für eine Lehrkraft alleine mit 16 Schülern nicht möglich wäre, zumal die empfohlene Klassenstärke für Alphabetisierungsklassen bei 8 bis maximal 12 Teilnehmenden liegt“.
Seit September 2014 bilden Ana Katarina Althammer vom Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Passau und Prof. Dr. Jörg Roche, stellvertretender Leiter des Instituts für Deutsch als Fremdsprache der Ludwigs-Maximilian-Universität München, hochengagierte Lehramtsstudierende zu Sprachpatinnen und -paten aus. Diese haben in der Regel an dem eignungsdiagnostischen Verfahren PArcours teilgenommen und sind für das Studium und den Lehrberuf als besonders geeignet eingestuft worden. Die Sprachpatinnen und Sprachpaten werden nicht nur in die Grundlagen des Spracherwerbs und die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache eingeführt, sondern auch auf die besonderen Herausforderungen wie Analphabetentum, Mehrsprachigkeit, kulturelle Unterschiede oder den Umgang mit heterogenen Gruppen und möglicherweise traumatisierten Jugendlichen vorbereitet. Sie werden vor allem an Grund- und Mittelschulen im Stadtgebiet und im Landkreis Passau eingesetzt, um dort Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund beim Spracherwerb zu unterstützen. Rund 10 der insgesamt 90 bislang ausgebildeten Sprachpaten sind an der Berufsschule II im Rahmen des Projekts „EmPAthie“ derzeit regelmäßig im Einsatz.
Bei der anschließenden Unterrichtshospitation konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekttreffens vor Ort davon überzeugen, wie das Sprachpatenkonzept in der Praxis funktioniert. An verschiedenen Lernstationen arbeiteten jeweils vier bis sechs Schülerinnen und Schüler mit einer Sprachpatin. Die Aufgaben reichten dabei vom Einüben von Uhrzeiten und Zahlen, über Diktatübungen am Overheadprojektor bis hin zum Arbeiten am Computer. „Wir möchten erreichen, dass die Schülerinnen und Schüler mit viel Unterstützung unserer hochengagierten Lehramtsstudierenden und dem Einsatz von motivierenden Lernmaterialien bis Ende Juli alphabetisiert werden“, erläutert Althammer die Zielsetzung hinter dem Projekt. Dass einfache Dialoge auf Deutsch bereits möglich sind, bewiesen die Schülerinnen und Schüler im Gespräch mit MdL Walter Taubeneder: Auf die Frage, wie es ihnen beim Deutschlernen mit den Sprachpaten gehe, antworteten gleich mehrere Schüler lachend „Die Lehrer sind gut“.
Über das Kooperationsprojekt „EmPAthie“ zwischen dem Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Passau und der Berufsschule II Passau
Im Rahmen des Kooperationsprojekts EmPAthie werden seit März 2016 regelmäßig 10 Sprachpatinnen und -paten zur Unterstützung der Alphabetisierung geflüchteter Jugendlicher in zwei Sprachintensivklassen der Berufsschule II eingesetzt. EmPAthie ist Teil des Projekts SprachPAten, für das am Lehrstuhl bislang rund 90 Lehramtsstudierende zu Sprachpaten ausgebildet wurden. Diese werden vor allem an Grund- und Mittelschulen im Stadtgebiet und im Landkreis Passau eingesetzt, um dort Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund beim Spracherwerb zu unterstützen. Das Projekt SprachPAten wird durch Mittel des Bildungsprojekts PASSgenAU, die schulischen Fördervereine sowie des Fördervereins PAtent e.V. finanziert. Darüber hinaus fördert die Bayerische Staatsregierung das Programm finanziell. Das Projekt SprachPAten wiederum ist Teil des größer angelegten Projekts LernPAten, das vom Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Passau unter Federführung von Prof. Dr. Norbert Seibert ins Leben gerufen wurde.