Öffentlich geförderte Kinderbetreuung erhöht die Erwerbstätigkeit von Müttern – diese Erkenntnis aus einer Studie von Prof. Dr. Stefan Bauernschuster, Inhaber des Lehrstuhls für Public Economics an der Universität Passau, ist in den aktuellen Bericht des Council of Economic Advisers von US-Präsident Joe Biden eingeflossen. Das Präsidialbüro des US-Präsidenten bedankte sich dafür per Mail bei dem Passauer Professor: „Wir zitieren Ihre Arbeit. Ich melde mich bei Ihnen, um mich dafür zu bedanken, dass Sie uns bei der inhaltlichen Gestaltung des Berichts geholfen haben“, schreibt die US-amerikanische Ökonomin Cecilia Elena Rouse, die Vorsitzende des Council of Economic Advisers. Das mit Top-Ökonominnen und -Ökonomen besetzte Gremium ist ein Beratungsorgan, das direkt im Weißen Haus angesiedelt ist.
In dem aktuellen US-Wirtschaftsbericht geht es vor allem darum, den Mangel an Arbeitskräften aufzufangen, mit der die US-Wirtschaft infolge der Erholung nach der Covid-19-Pandemie zu kämpfen hat. Die Beraterinnen und Berater schlagen mehrere Maßnahmen vor. Eine davon: in die Betreuung von Kindern zu investieren. „Die überwiegende Zahl der empirischen Belege deutet darauf hin, dass Kinderbetreuungs- und Vorschulprogramme einen positiven Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern haben“, schreiben sie unter anderem mit Verweis auf die Studie, die Prof. Dr. Bauernschuster gemeinsam mit seinem ehemaligen Kollegen am ifo-Institut, Dr. Martin Schlotter, durchgeführt hatte. Bereits 2015 erschien die Arbeit im renommierten Journal of Public Economics.
Studie untersucht Wirkung von Rechtsanspruch auf Kita-Platz
Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass öffentlich geförderte Kinderbetreuung nur privatwirtschaftliche Betreuung oder Betreuung durch Großeltern ersetzt und damit keine Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation der Mütter hat. Bauernschuster und Schlotter haben jedoch gezeigt, dass dies in Deutschland nicht der Fall ist. Um den kausalen Zusammenhang von Kinderbetreuung hieb- und stichfest nachzuweisen, arbeiteten die Ökonomen mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz im Jahr 1996. Diese Reform führte dazu, dass Kinder, die kurz vor dem Start eines Kindergartenjahrs drei Jahre alt wurden, schnell einen Rechtsanspruch hatten, während vergleichbare Kinder, die nur wenige Tage später drei Jahre alt wurden, den Rechtsanspruch erst ein Jahr später erhielten. Diese einem unfreiwilligen Experiment ähnliche Situation erlaubte es Bauernschuster und Schlotter, alle andere Einflussfaktoren auszuschließen und den tatsächlichen kausalen Effekt des Kindergartenplatzes zu isolieren. „Wir konnten zeigen, dass jede dritte Mutter, deren jüngstes Kind drei Jahre alt war, nur aufgrund des Kindergartenplatzes zumindest in Teilzeit arbeiten konnte“, fasst Bauernschuster zusammen.
Aus politischer Sicht sei die Investition in Kinderbetreuung zudem günstiger als finanzpolitische Maßnahmen wie eine Kindergelderhöhung, denn: „Ein Großteil der Investitionen finanziert sich schnell von selbst, da die nun arbeitenden Mütter ja Steuern und Sozialabgaben zahlen“, so Prof. Dr. Bauernschuster. „Zudem konnten wir in einer weiteren Studie zeigen, dass der Ausbau der Kita-Plätze ursächlich die Geburtenziffer erhöhte, und zwar fünfmal stärker als eine vergleichbare Investition in eine Erhöhung des Kindergelds.“ Arbeiten von anderen Forscherinnen und Forschern weisen zudem nach, dass Betreuungsplätze positive Effekte auf die Entwicklung von Kindern insbesondere aus sozioökonomisch benachteiligten Familien haben.
Die Studie von Prof. Dr. Bauernschuster und Dr. Schlotter ging aus einem Projekt hervor, in dem das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Finanzministerium ehe- und familienbezogene Leistungen in Deutschland evaluieren ließ. Es war eine der Arbeiten, die prominent in der Öffentlichkeit diskutiert wurden und die den eingeschlagenen Weg der deutschen Familienpolitik bestärkt haben könnten.
Zur Person
Prof. Dr. Stefan Bauernschuster ist Inhaber des Lehrstuhls für Public Economics an der Universität Passau und Projekteiter im DFG-Graduiertenkolleg 2720: "Digital Platform Ecosystems (DPE). Daneben ist er Forschungsprofessor am ifo Institut München, Research Fellow des CESifo Netzwerks, Research Fellow des IZA Netzwerks und Mitglied des Ausschusses für Sozialpolitik beim Verein für Socialpolitik. Das Handelsblatt-Ökonomen-Ranking zählte ihn sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2019 zu den Top 100 Forschern unter 40 Jahren. In seiner Forschung verwendet er mikroökonomische Methoden, um politikrelevante Fragen aus den Bereichen Arbeitsmarkt-, Bevölkerungs-, und Gesundheitsökonomik zu beantworten.
Text: Kathrin Haimerl
Wissenschaftliche Kontaktperson:
Stefan Bauernschuster
Universität Passau
Lehrstuhl für Public Economics
Innstraße 27, 94032 Passau
E-Mail: stefan.bauernschuster@uni-passsau.de
Weitere Informationen:
Bericht im Digitalen Forschungsmagazin der Universität Passau
Economic Report of the President (Prof. Dr. Bauernschusters Studie wird auf den Seiten 132 und 205 zitiert)