Vortragsreihe Osteuropa
Die Perspektive Osteuropa organisiert jedes Semester spezielle Veranstaltungen für ausgewählte Länder und Regionen des östlichen Mitteleuropas und Osteuropas und lädt Referentinnen und Referenten für spannende Vorträge, Lesungen, Podiumsdiskussionen etc. ein.
Vortragsreihe Osteuropa im Sommersemester 2024
Gedenkveranstaltung für Selma Meerbaum-Eisinger anlässlich ihres 100. Geburtstags
Termin: Mittwoch, 24. April 2024, 14:00 Uhr
Ort: HS 13, Informatik & Mathematik (IM), Universität Passau
Grußwort: Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Präsident der Universität Passau
Einführung: Prof. Dr. Thomas Wünsch, Universität Passau: "Von Passau nach Černivci"
Musikalische Umrahmung: Isabel Frey, Wien
Kurzvorträge:
• Dr. Oxana Matiychuk, Černiveckyj nacional’nyj universytet imeni Jurija Fed‘koviča, Ukraine: "Auf den Spuren von Selma Me(e)rbaum-Eisinger in ihrer Heimatstadt"
• Prof. Dr. Hans Krah, Universität Passau: "Ich habe keine Zeit gehabt zu Ende zu schreiben." Überlieferungsgeschichte, Aneignung, Bedeutung – zum Werk von
Selma Merbaum
• Prof. Dr. Jörg Trempler, Universität Passau: "Gestaltetes Gedenken an Selma Meerbaum-Eisinger in Passau: Das Mahnmal von Hans-Jürgen Breuste"
Aktive Grenzen in Europa – grenzüberschreitende Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft in deutsch-tschechischen Grenzräumen
Termin: Dienstag, 07. Mai 2024, 19:30 Uhr
Ort: Library-Lounge, Zentralbibliothek, Universität Passau
Gast: Luděk Fráně, Project Manager, RERA a.s. - Regionální rozvojová agentura jižních Čech, České Budějovice (Budweis)
Person: Luděk Fráně ist Ph.D.-Student in Regionaler und Politischer Geographie an der Fakultät für Naturwissenschaften der Karlsuniversität. Seine Forschung konzentriert sich auf die Themen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der EU und der territorialen Integration von Grenzregionen. Außerdem arbeitet er als Projektmanager bei der Regionalentwicklungsagentur Südböhmens, wo er sich mit Projekten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im tschechisch-bayerisch-österreichischen Grenzraum beschäftigt.
Inhalt: „Active Borders in Europa. Identität und kollektives Gedächtnis in grenzübergreifenden Räumen“ (Buchtitel) - Der Vortrag beschäftigt sich mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in zwei tschechisch-deutschen Euroregionen, Neisse und Böhmerwald, und bringt interessante Erkenntnisse bezüglich der Hindernisse, Formen und Auswirkungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im tschechisch-deutschen Raum.
Weitere Infos: „Projekt des Monats“, Februar 2024, Deutsch-tschechischer Zukunftsfond: https://www.zukunftsfonds.cz/projekt-des-monats-februar-2024/
Belarus und Ukraine? Wo ist der Unterschied? Konflikte um Sprache(n), Formen, Alphabete als Ausprägung von Ideologien
Termin: Mittwoch, 10 Juli 2024, 18:00 Uhr
Ort: Große Klingergasse 2a, 94032 Passau
Gast: Dr. Maria Katarzyna Prenner, Universitätsassistentin für Ostslawistik an der Karl-Franzens-Universität Graz
Person: Dr. Maria Katarzyna Prenner studierte Slawische Philologie mit den Schwerpunkten Russisch, Ukrainisch und Polnisch an der Universität Wien und promovierte im Jahr 2021 an der Universität zu Köln zu Agentivität in unpersönlichen Konstruktionen im Polnischen und im Russischen. Von November 2020 bis September 2023 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Slavische Sprach- und Kulturwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit Oktober 2023 ist sie als Universitätsassistentin für Ostslawistik an der Karl-Franzens-Universität Graz tätig. Mit der Justus-Liebig-Universität Gießen besteht noch immer eine enge Kooperation im Sonderforschungsbereich 1632 „Konfliktgemeinschaften: Verflechtung durch Gegnerschaft“, bei welchem Frau Dr. Prenner, im Falle einer Bewilligung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, mit einem eigenen Teilprojektantrag beteiligt ist.
Inhalt: Seit den Protesten von 2020 hat Belarus einen stärkeren Platz im Bewusstsein der Deutschen und Östereicher:innen eingenommen. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 ist auch die Ukraine immer wieder Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Diskussionen, Konferenzen und Tagungen.
In dem Vortrag möchte Frau Dr. Prenner sich den Themen Sprache und Ideologie widmen, die in diesen beiden Ländern seit einigen Jahrzehnten unterschiedlich verlaufen. Beide Länder können als Konfliktgemeinschaften bezeichnet werden, sowohl in Bezug auf die politische und ideologische Einflussnahme seitens der Russischen Föderation als auch intern, in ihren eigenen Landesgrenzen. Der Anfang dieser beiden Konflikte wurde im 19. Jahrhundert gesetzt, als seitens des Russischen Imperiums sowohl der ukrainischen als auch der belarussischen Sprache Autonomität und somit ein Existenzrecht abgesprochen wurde. Die Narrative und ideologischen Voraussetzungen, die damals geschaffen wurden, sind auch in der heutigen konfliktgeladenen Situation präsent, worauf im Vortrag der Fokus liegen soll.
Auf folgende Fragen wird eingegangen: Welche Narrative und Ideologien sind von damals noch immer präsent? Wie werden sie von den jeweiligen Konfliktparteien eingesetzt, um die eigenen Interessen durchzusetzen? Welche Unterschiede bestehen zwischen der Ukraine und Belarus? Diese Fragen sollen im Hinblick auf die verwendeten Sprachen, Sprachformen, Orthographien und Alphabete in beiden Ländern beantworten werden, jeweils mit zahlreichen verständlichen Beispielen.
Während die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1991 dafür sorgt, dass die ukrainische Sprache in das öffentliche und private Leben ihrer Bürger:innen implementiert wird, ist in Belarus das Gegenteil zu beobachten: Das Belarussische wird von der Regierung weiterhin verdrängt. Die Ideologie, die hinter der Verbreitung des Russischen und aller russischen Kulturgüter in beiden Ländern steht, ist die aus Russland gesteuerte Ideologie des "Russkij Mir". Während in der Ukraine die Menschen seit dem Maidan-Protest im Jahr 2014 und noch mehr seit 2022 vermehrt das Ukrainische verwenden, ist auch in Belarus seit 2020 ein gesteigertes Interesse am Belarussischen zu beobachten - unter anderem durch gelesene und erstellte Wikipedia-Artikel in belarussischer Sprache. Dasselbe trifft auch auf die belarussische Orthographie zu, die in zwei Varianten existiert – einer russifizierten und einer klassischen Variante, wobei letztere seitens der Regierung in den 2010er Jahren auch offiziell verboten wurde und seither reges Interesse an dieser besteht. Seit 2022 wird auch die belarussische Lateinschrift, die eine jahrhundertelange Tradition in Belarus hat, per Dekret beinahe gänzlich verdrängt.
Ein weiteres interessantes Phänomen, das in beiden Ländern auftritt und mit der jahrzehntelangen Russifizierungspolitik der Sowjetunion zusammenhängt, ist das Aufkommen und die Verwendung von Mischsprachen, wie der sog. Trasjanka (Belarussisch – Russisch) und dem sog. Suržyk (Ukrainisch – Russisch). Beide Mischsprachen genießen in den entsprechenden Ländern kein hohes Prestige, könnten jedoch als eine "weiche Form" der Ukrainisierung und Belarussifizierung angesehen werden, welche einen schrittweisen Übergang vom Russischen ins Ukrainische und Belarussische ermöglicht. Im Zusammenhang mit diesem Phänomen stehen auch Wörter im Fokus, die aus den jeweiligen Standardsprachen verdrängt werden und durch neue Wörter ersetzt werden, um den Abstand zum Russischen zu vergrößern.