Die Unterrichtsstunde befasst sich thematisch mit der Alltagsheldin Almuth von Trotha, die sich aktiv für Flüchtlinge in ihrer Heimatstadt einsetzt. Die Klasse erfährt im Unterrichtsverlauf neben wichtigen biographischen Eckdaten, welche Entscheidungssituationen, Herausforderungen und Erfahrungen Frau von Trotha auf diesem Lebensweg gemacht hat. Diese Inhalte lassen sich im Lehrplan der Berufs- und Berufsfachschule im Unterrichtsfach Katholische Religion in der Jahrgangsstufe 10 einordnen. Im Lernbereich 2: Lebensorientierung und Lebensgestaltung – hier sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, Vorbilder und Orientierungsangebote zu vergleichen und daraus resultierende Folgen für ihr eigenes Leben abzuwägen. Als Vorbild dienen hier nicht ferne Personen wie Heilige oder Prominente, sondern ein Leitbild aus der mittleren Ebene, dem Nahbereich der Schülerinnen und Schüler, ein sog. local hero (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 2013, S. 19; Mendl, 2014, S. 46).
Das Stundenthema „Almuth von Trotha – Hilfe ist eine Pflicht!" soll die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, Hilfsbedürftigkeit anderer Menschen wahrzunehmen, Frau Almuth von Trotha als Orientierungshilfe für ein gelingendes Leben im christlich-sozialen Sinn anzuerkennen und Möglichkeiten für gute Taten und soziales Engagement zu entwickeln. Im Stundenverlauf werden zu den einzelnen Lernschritten folgende Feinziele definiert:
Die Schülerinnen und Schüler …
Phase | Zeit | Lernschritt | Lernziel | Aktions-, Sozialform | Medien | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Einstieg | 5 min | Emotionale und kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler (SuS), erste Hinführung zum Thema durch Vorlesen der Bibelstelle Matthäus 2,13-23a. | Lehrgespräch | Beamer | |||||
Erarbeitung 1 | 5 min | Wiedergabe in eigenen Worten; SuS identifizieren die Hl. Familie als Flüchtlingsfamilie Impulsfragen: Wie lässt sich der Text nochmal in eigenen Worten zusammenfassen? Was tun Maria, Josef und das Kind? Wo gibt es einen Zusammenhang zu aktuellen Vorkommnissen in unserer Welt? Denkt dabei an Syrien und aktuelle Nachrichten. | 1,2 | Lehrgespräch | Beamer | ||||
Erarbeitung 2 | 3 min | Besprechung des Ausspruches Jesu. Gemeinsame Klärung, was Jesus damit meint und was er von uns verlangt (Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft). | 3 | Lehrgespräch | Arbeitsblatt 1 Beamer | ||||
Erarbeitung 3 | 7 min | Arbeitsauftrag 1: emotionale und persönliche Auseinandersetzung mit Flüchtlingen und Hilfe leisten; endgültige Hinführung zum Thema. | 4 | Einzelarbeit | Arbeitsblatt 1 | ||||
Erarbeitung 4 | 10 min | Steckbrief und Portrait von Almuth von Trotha werden anhand anschaulicher Erzählung vom Interview mit Frau Almuth von Trotha vorgestellt. | 5 | Lehrvortrag | Arbeitsblatt 2 Beamer, Tafel | ||||
Erarbeitung 5 | 10 min | Zusammenfassung und Wiedergabe der wichtigsten Entscheidungssituationen, Erfahrungen und Herausforderungen von Frau von Trotha durch gezielte Rückfragen und Impulse der Lehrkraft. | 6,7 | Lehrgespräch | |||||
Sicherung | 5 min | Arbeitsauftrag 2: Die SuS reflektieren das Gehörte und Besprochene und formulieren eine persönliche Frage an Frau von Trotha. | 5,6,7 | Einzelarbeit | Arbeitsblatt 2 | ||||
Erarbeitung 6 | 20 min | Arbeitsauftrag 3: aktive Auseinandersetzung mit der Arbeit von Almuth von Trotha anhand von Zeitungsberichten, SUS arbeiten in Gruppen und fassen wichtige Stichpunkte über die Flüchtlingshilfe zusammen und präsentieren sie im Plenum; Notizen sollen gemacht werden. | 8 | Gruppenarbeit | Arbeitsblatt 2 Overhead, Zei-tungsartikel, Folien, Stifte | ||||
Erarbeitung 7 | 10 min | Gemeinsames Lesen und Besprechen des Interviews von Marie und Zeitungsartikel der SUS des Gymnasiums in Dingolfing (Kleiderspende, Spielsachensammlung) | 8 | Lehrgespräch | Arbeitsblatt 2 Beamer | ||||
Erarbeitung 8 | 10 min | Arbeitsauftrag 4: Reflexion über das Gehörte, Notieren eigener Gedanken und Gefühle, Abwägen von Folgen für das eigene Leben, Entwickeln von Ideen zur Flüchtlingshilfe in der Umgebung der SuS; anschließende Kommunikation mit dem Banknachbarn. | 9,10, 11, 12 | Einzel-, Partnerarbeit | Arbeitsblatt 2 | ||||
Sicherung | 5 min | Arbeitsauftrag 5: Offene Diskussionsrunde im Plenum über die Ergebnisse des Auftrags 4; falls notwendig, greift die Lehrkraft auf Impulsfragen zurück | 9,10, 11,12 | Lehrgespräch | Tafel |
Die folgenden Erläuterungen basieren auf der fiktiven Annahme, dass die Schülerinnen und Schüler (SuS) den Ausbildungsberuf Bankkauffrau/-mann erlernen und im ersten Lehrjahr sind. Alle Lernenden haben den mittleren Schulabschluss und verfügen über homogenes Vorwissen bezüglich dem Unterrichtsthema. Die Klassenkameraden kennen sich untereinander gut und es herrscht ein ruhiges Klima. Die Lernenden gehen respektvoll miteinander um und sind mit den verschiedenen Sozialformen des Unterrichts vertraut. Das Klassenzimmer ist optimal ausgestattet mit klassischen (Tafel, Overheadprojektor) als auch modernen Medien (Beamer).
Als Einstieg in die Unterrichtsstunde wird die Bibelstelle 2,13-23a aus dem Matthäus-Evangelium inklusive einer Abbildung zur Flucht der Heiligen Familie mittels Beamer präsentiert. Die Lehrkraft fordert zunächst einen Schüler/eine Schülerin auf, die Bibelstelle laut vorzulesen. Im Anschluss lässt der Lehrer/die Lehrerin das Gelesene von einem der Lernenden in eigenen Worten wiedergeben. Mithilfe entsprechender Impulsfragen (siehe Verlaufsplan) leitet die Lehrkraft das Gespräch zur gewünschten Erkenntnis, dass die Heilige Familie eine Flüchtlingsfamilie war und dass es in der heutigen Unterrichtsstunde um das Thema Flüchtlinge geht. Per Beamer wird nun das zweite Bild neben der ersten Abbildung dargestellt. Es zeigt ebenfalls eine Familie, die sich mit viel Gepäck auf eine Reise begibt. Die SuS entdecken beim Betrachten der beiden Bilder die Parallelen zwischen der Heiligen Familie und der Flüchtlingsfamilie. Währenddessen teilt die Lehrkraft den Lernenden das Arbeitsblatt 1 aus, legt es aber verdeckt auf den Tisch, damit der Wahrnehmungsprozess nicht gestört wird.
Im Erarbeitungsschritt 2 erfolgt zunächst die Aufforderung, das Arbeitsblatt zur Hand zu nehmen und jemand aus der Schülerschaft liest den Ausspruch Jesu laut vor. Dieser wird im Plenum erörtert, damit die SuS verstehen, dass Jesus uns in seiner Nachfolge Menschlichkeit und Hilfeleistung gegenüber Fremden, die uns begegnen, zumutet und zutraut. Die Lernenden werden aufgefordert, die beiden Begriffe Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft auf dem Arbeitsblatt zu notieren. Nun verweist der Lehrer/die Lehrerin auf den 1. Arbeitsauftrag in stiller Einzelarbeit und gibt den Hinweis, dass die Antworten nicht öffentlich im Plenum diskutiert werden und dass es wichtig ist, die Fragen ehrlich und gewissenhaft zu beantworten; erst dann beginnen die Lernenden mit der Bearbeitung. Ziel dabei ist das Bewusstwerden der eigenen Gefühle, Haltung und Ängste in Bezug auf Begegnungen mit Flüchtlingen, sowie das Hervorrufen von Erfahrungen und Praxisbeispielen aus der Flüchtlingshilfe. Durch die emotionale Auseinandersetzung erfolgen sowohl eine endgültige Hinführung als auch ein erster Bezug zum Thema. Als Überleitung zur Vorstellung des Local Heroes greift die Lehrkraft die letzte Frage des Arbeitsauftrages auf und erklärt den Jugendlichen, dass es in seinem/ihrem Bekanntenkreis eine Person gibt, die sich ganz besonders für Flüchtlinge engagiert und dass er/sie diese Person heute im Unterricht vorstellen möchte. Die Lehrkraft beauftragt einen Lernenden mit dem Verteilen des zweiten Arbeitsblattes. Währenddessen wird mittels Beamer der Steckbrief von Almuth von Trotha visualisiert.
Nachdem die SuS das Bild und die knappen Eckdaten eingehend betrachten konnten, liest die Lehrkraft im Erarbeitungsschritt 4, den Leitspruch: „Mitmenschlichkeit zeigen – Hilfe ist eine Pflicht!" laut vor, schreibt ihn als großen Akzent an die Tafel und erzählt, dass dies das Lebensmotto von Frau Almuth von Trotha ist. Mittels Lehrvortrag veranschaulicht die Lehrkraft die Erlebnisse aus dem Interview mit Frau von Trotha. Dabei stehen die wichtigsten biographischen Daten, Entscheidungssituationen, Herausforderungen und positiven sowie negativen Erfahrungen auf ihrem Lebensweg im Zentrum des Vortrages.
Zur Vertiefung des Gehörten, wendet der Lehrer/die Lehrerin im Bearbeitungsschritt 5 im Lehrgespräch ein Zusammenspiel aus gezielten Rückfragen und Impulsen an. Beispiele hierfür sind: „Wodurch ist Frau von Trotha auf die Flüchtlingshilfe aufmerksam geworden? Denkt mal darüber nach, wie ihr reagieren würdet, wenn euch ein Freund bittet, ihm bei seinem Ehrenamt zu helfen. Was wäre euch wichtiger? Die eigene Gesundheit oder einen guten Freund unterstützen? Welche negative Erfahrung hat Frau von Trotha gemacht? Erzählt mal, was ihr zu diesem jungen Mann sagen würdet, nachdem er nicht zur Arbeit gegangen ist. Welche positiven Erfahrungen macht Frau von Trotha durch ihr Ehrenamt? Was wäre für euch die größte Bereicherung wenn ihr euch ehrenamtlich engagiert?" (Bahr, 2010, S. 532-533). Im Anschluss daran erfolgt zur Sicherung des erlangten Wissens eine Reflexion seitens der SuS, indem sie in Einzelarbeit nochmals über das Besprochene nachdenken und eine persönliche Frage an Frau von Trotha formulieren (Arbeitsauftrag 2).
Um den Lernenden eine aktive Auseinandersetzung mit dem Engagement von Frau Almuth von Trotha zu ermöglichen, folgt im nächsten Erarbeitungsschritt eine Gruppenarbeit, bei der die Klasse in vier Teams aufgeteilt wird. Die Einteilung erfolgt nach räumlicher Nähe, die Lehrkraft gibt den Hinweis, dass sich die vorderen Reihen zu den hinteren Reihen umdrehen sollen. Daraufhin lässt der Lehrer/die Lehrerin die Aufgabenstellung aus dem dritten Arbeitsauftrag von einem Lernenden vorlesen. Währenddessen verteilt er/sie Folien, Stifte und die jeweiligen Zeitungsartikel an die Gruppen. Während der Gruppenaufgabe steht die Lehrkraft bei Fragen zur Verfügung, verhält sich aber ansonsten zurückhaltend, damit sich der Lernprozess frei entfalten kann. Nach einer ausreichenden Bearbeitungszeit startet die erste Gruppe mit der Vorstellung ihrer Ergebnisse am Overheadprojektor und die Zuhörer machen sich dabei entsprechende Notizen auf dem Arbeitsblatt. Die übrigen Gruppen präsentieren der Reihe nach ihre Erarbeitung im Plenum. Hier bietet sich die Gruppenarbeit besonders gut an, weil dann die Projekte von Frau von Trotha nochmal in einer kleinen Gruppe diskutiert werden können und so eine spezielle Auseinandersetzung mit den verschiedenen Perspektiven und Haltungen der Lernenden zur Thematik erfolgen kann.
Im Erarbeitungsschritt 7 greift die Lehrkraft den Artikel der vierten Gruppe, der die Geschichte der kleinen Marie erzählt, auf und lässt ein Schülerduo das Interview vorlesen. Die Lehrkraft fragt im Anschluss nach: „Wer hat schon einmal Kleidung oder Spielsachen gespendet? Was denkt ihr über Marie?" Danach zeigt der Lehrer/die Lehrerin den Zeitungsartikel der Kleidersammlungsaktion des Gymnasiums in Dingolfing und stellt als Anstoß bewusst die geschlossene Frage: „Könnt ihr euch eine ähnliche Aktion an unserer Schule vorstellen?" Er/Sie erwartet hier nur eine kurze Antwort (ja/nein) der SuS, weil sie sich erst im nächsten Schritt gezielt mit Hilfsmöglichkeiten auseinandersetzen sollen. Im Bearbeitungsschritt 8 sollen die Lernenden den Unterricht anhand des Arbeitsauftrages 4 reflektieren und dabei ihre Gedanken und ihre Haltung zur Flüchtlingshilfe ausdrücken. Außerdem sollen sie abwägen, welche Folgen die Hilfsbereitschaft für ihr Leben hätte und schließlich eigene Ideen zur Flüchtlingshilfe entwickeln. Nachdem die Schülerschaft die Fragen einzeln für sich beantwortet hat, sollen sie mit ihrem Banknachbarn die Ergebnisse besprechen. Zur Sicherung des Gelernten und zum Abschluss der Unterrichtseinheit werden die individuellen Ergebnisse der Lernenden aus dem Arbeitsauftrag 4 öffentlich im Plenum diskutiert. Das Lehrgespräch wird von der Lehrkraft moderiert und bei Bedarf impulsartig gesteuert. Hierzu dienen folgende Fragen: „Wie hat sich eure Einstellung gegenüber Flüchtlingen nach der heutigen Stunde verändert? Welche Zweifel oder Bedenken habt ihr? Wie könnte eine Kleidersammelaktion in unserer Berufsschule ablaufen? Welche Schwierigkeiten können dabei auftreten? Sollen wir Kontakt zu Frau Almuth von Trotha aufnehmen, um zu fragen, was genau benötigt wird?
Es erfolgt eine kurze Reflexion der Reaktionen auf das Referat im Seminar, weil daraus auch Folgen für eine reale Umsetzung in der Schule abgeleitet werden können. Die Vorstellung des Local Heroes muss unbedingt lebhaft und anschaulich erzählt werden, um den Spannungsbogen stets aufrecht zu erhalten. Bei diesem Unterrichtsgegenstand besteht die Gefahr, dass politische Diskussionen aufkommen. Hier muss klar gemacht werden, dass das Thema der Stunde Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit ist. Falls den Lernenden das Thema Flüchtlingspolitik sehr am Herzen liegt, besteht die Möglichkeit, diese Thematik fächerübergreifend im Sozialkunde- oder Wirtschaftsunterricht zu bearbeiten. Die Auseinandersetzung mit einem Local Hero ist sowohl für den Lehrenden, als auch für den Lernenden als sehr gewinnbringend einzustufen. Die Auseinandersetzung mit einem lebenden und nahen Vorbild verstärkt den Lernprozess ungemein, daher empfiehlt sich für eine reale Umsetzung eine persönliche Begegnung zwischen dem Local Hero und der Schülerschaft bzw. die Planung einer gemeinsamen Spendenaktion.
Literaturverzeichnis
Bahr, M. (2010). Religionsunterricht gestalten. In G. Hilger, S. Leimgruber & H.-G. Ziebertz (Hrsg.), Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf (6. Auflage, S. 531-541). München: Kösel.
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, Hrsg.). (2013). Lehrplan für die Berufsschule und Berufsfachschule. Katholische Religion.
Zugriff am 10.02.2016. Verfügbar unter www.isb.bay-ern.de/download/14162/lp_bs_bfs_katholische_religionslehre.pdf
Mendl, H. (2014). Modelle - Vorbilder - Leitfiguren. Lernen an außergewöhnlichen Biografien. Stuttgart: Kohlhammer.
Anlage 1: Arbeitsblatt 1 für Schülerinnen und Schüler
Anlage 2: Arbeitsblatt 2 für die Lernenden
Anlage 3: Zeitungsartikel für die Gruppenarbeit im Unterrichtsverlauf
a) Ein Festmahl bei Freunden (DA, 01.10.2015)
b) Begegnung schafft Vertrauen (DA, 30.10.2015)
c) Musik verbindet Syrer und Deutsche (DA, 01.12.2015)
d) "Ich hoffe, du findest Freunde in Deutschland" (DA, 23.12.2015)