Ziel des Projekts ist es, „ein Gegengewicht zu den großen Heiligen zu schaffen und die ‚großen‘ mit den ‚kleinen‘ zu ergänzen“(Mendl 2011, Helden auf Augenhöhe, S. 6). Die Schülerinnen und Schüler sollen verschiedene Helden des Alltags kennen lernen und durch die Beschäftigung mit deren Wert- und Lebensentscheidungen selbst zum Nachdenken angeregt werden, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten würden oder ob sie überhaupt ähnliche Situationen in ihrem Leben haben. Nachahmen und Bewundern sind keineswegs die richtigen Ansätze für orientierendes Lernen. Von Bedeutung ist die Diskursethik, die durch Diskussionen die moralische Urteilskompetenz und das Wertebewusstsein der Schülerinnen und Schüler fördert. Wichtig bei der Arbeit mit Local Heroes ist also die reflexive Auseinandersetzung mit den Motiven für deren Handeln.
Bei dem Projekt sollen sich die Schülerinnen und Schüler zunächst mit der Wanderausstellung „Tolle Typen heute“ reflexiv auseinandersetzen. Konkret heißt das, dass man versucht, nicht an deren Gewissen zu appellieren, welch große Taten diese „Helden“ vollbracht haben, sondern ihnen die Möglichkeit gibt, mit ihnen in Dialog zu treten, sich an ihnen zu orientieren, über deren Taten zu diskutieren und sich kritisch damit auseinanderzusetzen um letztendlich selbst Sozialprojekte und Sozialaktionen durchzuführen.
Schulisch kann dieses Thema in der Grundschule in der dritten und vierten Jahrgangsstufe verortet werden, da eine Lesekompetenz und Reflexionskompetenz vorausgesetzt wird, die in den ersten beiden Jahrgangsstufen der Grundschule noch nicht ausreichend ausgeprägt ist. In Jahrgangsstufe 3/4 geht es im Lernbereich 2 um die Größe und Vielfalt der Welt – Schöpfung Gottes. Zu den Kompetenzerwartungen zählt, dass die „Schülerinnen und Schüler (…) an Beispielen [zeigen], dass jedes Handeln Auswirkungen für Mensch und Natur hat, und bringen zum Ausdruck, wo sie Unrecht und Not wahrnehmen und wie sie sich eine gerechtere Welt vorstellen“ (LehrplanPlus Grundschule in Bayern, S. 209). Des Weiteren übernehmen die Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihrer Möglichkeiten Verantwortung. Inhaltlich können diese Kompetenzerwartungen durch dieses Projekt erfüllt werden.
Die Ausstellung besteht mittlerweile aus fünf Überblickstafeln und 18 Personentafeln, die gegen eine geringe Leihgebühr am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts der Universität Passau entliehen werden können. Die Übersichtstafeln eignen sich gut als Einstieg, da sie u. a. den Titel der Ausstellung nennen und Zitate von Prominenten zeigen, in denen es um Vorbilder geht. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich ein Zitat aussuchen, das sie besonders anspricht. Sie schreiben es auf ein Blatt Papier und gestalten es schön aus. Anschließend werden die ausgewählten Zitate präsentiert und deren Auswahl begründet. In einem weiteren Schritt suchen die Schülerinnen und Schüler selbst nach Sprichwörtern, Texten oder Popsongs, die mit dem Thema Vorbild in Verbindung stehen. Gemeinsam werden die Ergebnisse auf einer Flip-Chart oder an der Tafel gesammelt. Für eine anschließende Diskussion macht sich jeder zu folgenden Fragen seine Gedanken: „Ist es im Leben wichtig oder richtig, sich an anderen Menschen zu orientieren? Oder braucht man das nicht? Oder ist es sogar gefährlich?“
Die einzelnen Personentafeln sind in einem Raum ausgestellt, wobei der thematische Fokus der Tafeln durch weitere Ausstellungsgegenstände verstärkt werden kann (s. Foto). Hierzu gibt es ebenfalls in der Lernwerkstatt einen Koffer mit Basis-Utensilien. Bevor sich die Schülerinnen und Schüler auf die Personentafeln stürzen, bedarf es einer Erklärung des Aufbaus einer Personentafel. Die Überschrift beschreibt prägnant die Aktion des jeweiligen Helden. Der linke Balken nennt die ethische Dimension bzw. das Themenfeld, während auf der rechten Seite passende Bilder und Fotos zu sehen sind. Entscheidend ist der untere Balken, denn dort stehen weiterführende Arbeitsaufträge zu der jeweiligen Person bzw. zu dem jeweiligen Thema, die Raum für weitere Diskussionen oder Recherchen geben.
Im ersten Rundgang sollen sich die Schülerinnen und Schüler einen Überblick verschaffen, d. h. die Überschriften und das Themenfeld zu überfliegen, um einen Favoriten auszuwählen. Hierzu müssen nicht alle Teile der Tafeln gelesen werden. Für diesen Durchgang bekommt jeder ein Arbeitsblatt (s. M4 AB 1). Anschließend erfolgt im Sitzkreis ein erster Austausch, in dem jeder seinen Favoriten kurz vorstellt und eine mögliche Frage an die Person richtet. So fixiert sich jeder Schüler nicht gleich auf einen Helden, sondern lernt auch noch andere Personen und deren Taten oder Engagement kennen.
Beim zweiten Ausstellungsrundgang soll sich jeder Schüler mit einer konkreten Tafel beschäftigen und dazu AB 2 (s. M4) bearbeiten. Die letzte Frage des Arbeitsblattes zielt bereits auf den zweiten Teil des Projekts ab, ob die Kinder Menschen in ihrer Umgebung kennen, die auf ähnliche Weise Gutes tun. Zum Abschluss treffen sich alle wieder im Sitzkreis und wer möchte, darf seinen persönlichen Helden der Klasse vorstellen. Im Rahmen dieser Präsentationsrunde sollen die Schülerinnen und Schüler die Heldentat des Local Heroes selbst bewerten. Hier ist ihre eigene Meinung gefragt und auch, ob sie in einer ähnlichen Situation auch so gehandelt hätten oder ob sie das Verhalten moralisch nicht vertreten können.
Um über die Ausstellung noch zu reflektieren, kann man gut mit dem Hoffnungsbaum arbeiten (s. Foto). Hierzu bekommt jede Schülerin und jeder Schüler ein Blatt für sein persönliches Statement. Dies kann frei formuliert sein oder mit den vorgeschlagenen Satzanfängen (s. M4 AB 3). Am Ende entsteht ein Baum mit vielen verschiedenen Blättern und Meinungen zu der Wanderausstellung, zum Thema Local Heroes und zu den persönlichen Helden der einzelnen Teilnehmer (s. Foto). Die Schülerinnen und Schüler dürfen hier auch konkret Situationen benennen, in denen sie anders gehandelt hätten oder was sie besonders toll fanden.
Damit das Thema Local Heroes nach den Ausstellungsrundgängen nicht beendet ist, sollen die Kinder selbst nach einem Local Hero vor Ort suchen und ein ähnliches Porträt für eine Tafel erstellen oder ein Interview mit ihm führen. Anschließend können die Porträts auf verschiedene Weise auch in der Öffentlichkeit präsentiert werden, z. B. in einer Schülerzeitung oder als Fotobuch.
Eine andere Möglichkeit wäre, selbst ein soziales Projekt ins Leben zu rufen. Die Schülerinnen und Schüler sollen überlegen, wie sie als Klasse der Gesellschaft etwas Gutes tun können. So entstehen beispielsweise Projekte, bei dem die Kinder einen Spendenlauf veranstalten oder Kuchen für einen guten Zweck verkaufen.
Für dieses Gesamtprojekt eignet sich die Arbeit mit den Local Heroes sehr gut, denn Schülerinnen und Schüler nehmen ein erzähltes Beispiel durchaus anders wahr als eine direkte Begegnung. Eine direkte Begegnung mit den Bewegungen, Reaktionen, Gesichtsausdrücken und Lauten des Local heroes hat auch Auswirkungen auf die Einstellungen, Reaktionen und Wertungen der Schülerinnen und Schüler. Durch die Schaubilder oder Personentafeln, die durch entsprechende Utensilien oder Leitbilder verdeutlicht werden, wir den Schülerinnen und Schülern gezeigt, dass es auch in der derzeitigen Wohlstandsgesellschaft sinnvoll und möglich ist, sich für andere einzusetzen (Vgl. Mendl, 2011, Vor-Bilder ethischen Handelns, S. 268ff.). Die Schülerinnen und Schüler sollen sich durch die Arbeit an und mit den Vorbildern zu selbstreflexiv verantwortlichen Subjekten entwickeln, wobei die Helden bzw. Vorbilder als Spiegelungsfolien für die eigenen Fragestellungen und Werteentwicklung dienen (Vgl. Mendl, 2008, S. 89). Local Heroes haben klare Vorteile gegenüber den großen Heiligen und eignen sich deshalb besonders gut für orientierende Lernprozesse: „sie leben in der unmittelbaren Umgebung, sind Menschen
‚wie du und ich‘, sie belegen, dass auch in unserer Gesellschaft zwischen ‚punktuell‘ und ‚radikal‘ verschiedene Formen altruistisch-christlichen Verhaltens möglich sind, sie bilden in ihrer Alltäglichkeit eine Brücke zwischen den dominierenden Lebensvorstellungen der Schülerinnen und Schüler und dem Mehr-Wert christlich-sozialen Verhaltens (…) [und] gerade Menschen aus dem Nahbereich und der Jetzt-Zeit ermöglichen eine unmittelbare personale Begegnung“ (Mendl, 2013, S. 124f).
Gerade in der Grundschule kann die Arbeit mit Local Heroes oder Vorbildern auch zur Nachahmung oder Bewundern führen. Bei der sogenannten verhaltenstheoretischen Auffassung eignen sich die Schülerinnen und Schüler bestimmte Verhaltensmuster oder –weisen der Helden an, versuchen deren Lebensstil zu imitieren oder wollen auf ähnliche Weise Gutes tun. Dieses „Beobachtungslernen“ (Witten, S. 83) ist allerdings nicht das Ziel der Arbeit mit Vorbildern, vielmehr sollen die Haltungen, Einstellungen und Werte des Helden Denkanstöße für die Schülerinnen und Schüler sein und diese nach einer reflektierten Auseinandersetzung aufs eigene Leben übertragen. So ist es kein Nachahmungslernen, sondern eine Orientierung an den Vorbildern (Vgl. Mendl, 2005, S. 52ff). Durch die Begegnung mit Local Heroes ist sozusagen ein Beobachtungslernen möglich, indem man durch das Beobachten neue Verhaltensmuster kennenlernt und möglicherweise erwirbt. Wir befinden uns hier noch auf der Ebene der „Wertübertragung“ (Mendl, 2015, S. 61) bei der die vorgegebenen Werte unmittelbar und unreflektiert übernommen werden. Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur mit einem Vorbild arbeiten, sondern eine ganze Bandbreite an Local Heroes der Wanderausstellung kennen lernen, müssen sie in gewisser Weise reflektieren, wer sie am meisten beeindruckt oder fasziniert hat.
Gehen wir einen Schritt weiter und betrachten die Theorie des Modell-Lernens, die mehr ist als das unreflektierte Nachahmungslernen, aber noch ein Stück hinter den diskursethischen Ansätzen steht. Das entscheidende Merkmal sind hier die Reflexionsprozesse, die den Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen folgen. Die Schülerinnen und Schüler lernen quasi nicht nur ein Vorbild und dessen Biografie kennen, sondern fokussieren geeignete Entscheidungssituationen und übertragen diese aufs eigene Leben. Die Schülerinnen und Schüler befinden sich hier nicht mehr auf der Ebene der Wertübertragung, sondern sind zu Aspekten der Werterhellung und Wertkommunikation fähig. Sie übernehmen die Werte nicht unreflektiert, sondern ihnen werden die Werte bewusst, sie betrachten diese kritisch und bestätigen diese letztendlich oder weisen sie zurück. Bei der Wertkommunikation wird das Wertempfinden der Schülerinnen und Schüler hervorgerufen. Sie bringen in die Geschichten der Helden und Vorbilder ihre eigenen Wertvorstellungen und –optionen mit ein und diskutieren anschließend darüber (Vgl. Mendl, 2015, S. 67ff). Diese Stufe des Modell-Lernens mit Diskussion über Wertoptionen ist in der Grundschule etwas schwierig, allerdings können Kinder der dritten und vierten Jahrgangsstufe durchaus Vorstellungen von Werten und ein großes Gerechtigkeitsempfinden besitzen und so ihre Meinung einbringen. Zumindest können sie sich zu bestimmten Situationen äußern, ob sie in ähnlichen Situationen auch so gehandelt hätten oder ob sie etwas nicht in Ordnung, d. h. moralisch nicht vertretbar, finden.
Bei dieser Diskussion können wir auch lernpsychologisch einen Schritt weiter gehen zur Diskursethik. Durch Dilemmageschichten und die anschließende Diskussion darüber soll die moralische Urteilskompetenz der Schülerinnen und Schüler erhöht werden. Das Denken der Kinder wird gefördert, sie sollen Sachverhalte beurteilen, indem sie ihn von verschiedenen Seiten betrachten und unterschiedliche Motive berücksichtigen. So setzen sich die Schülerinnen und Schüler kritisch mit den Biografien der Vorbilder auseinander und können für sich zwischen angemessenen und unangemessenen Vorbildern unterscheiden und dies argumentativ begründen. Da eine solche Stufe des eigenen ethischen Urteils nach Kohlberg erst im Erwachsenenalter erreicht werden kann, wäre es an dieser Stelle nicht sinnvoll, mit Kindern in der Grundschule im Rahmen dieses Projekts, Dilemmageschichten zu behandeln (Vgl. Mendl, 2015, S. 71ff).
Eine durchaus sinnvollere Weiterführung des Projekts wäre, dass die Kinder selbst tätig werden. Nach der Besichtigung der Ausstellung können die Schülerinnen und Schüler selbst einen Local Hero zu sich in die Klasse einladen und persönlich mit ihm in Kontakt treten. Außerdem können sie vor Ort selbst Local Heroes finden und deren Biografie notieren. Es gibt auch die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler eben selbst zu kleinen Local Heroes werden und der Gesellschaft durch Spendenaktionen etwas Gutes tun. Denn durch die Erfahrungen, lernen sie, was Werte sind und welche – gesellschaftlich gesehen – moralisch vertretbar sind. Auch hier findet wieder eine ausführliche Reflexionsphase statt, sodass die Schülerinnen und Schüler auch den Sinn und Zweck des Projekts verstehen (Vgl. Mendl, 2015, S. 75ff).
Generell ist wichtig, dass die Erlebnisse der Schülerinnen und Schüler reflektiert werden, sodass sie zu nachhaltigen Erfahrungen werden (Vgl. Mendl, 2011, Religionsdidaktik kompakt, S. 182).
BStMUK / ISB (Hrsg.) LehrplanPLUS Grundschule Bayern, München 22014.
Mendl, Hans, Das religionspädagogische Potential der Begegnung mit Vorbildern des Alltags, in: Bizer, Christoph/ Englert, Rudolf/ Kohler-Spiegel, Helga/ Mette, Norbert/ Rickers, Folkert/ Schweitzer, Friedrich, Sehnsucht nach Orientierung. Vorbilder im Religionsunterricht, Jahrbuch der Religionspädagogik (Band 24), Neukirchen-Vluyn 2008, S. 89-99.
Mendl, Hans, Helden auf Augenhöhe. Didaktische Anregungen zur Ausstellung und zur Datenbank „Localheroes“, Winzer 2011.
Mendl, Hans, Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biografien. Religionspädagogische Anregungen für die Unterrichtspraxis, Donauwörth 2005.
Mendl, Hans, Religion erleben. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht, München 22013.
Mendl, Hans, Vor-Bilder ethischen Handelns, in: KatBl 136 (2011), Heft 4, S. 268-270.
Witten, Ulrike, Diakonisches Lernen an Biographien. Elisabeth von Thüringen, Florence Nightingale und Mutter Teresa, Leipzig 2014.