Das Thema der zweistündigen Unterrichtseinheit in einer 11. Klasse des Gymnasiums stellen „gebrochene Biografien“ dar. Nach Mendl zählen darunter „neben tatsächlich Gescheiterten auch solche Menschen, die gerade im Umgang mit den Grenzen, mit dem Scheitern [oder] dem Sterben Größe und Mut bewiesen haben (Mendl, 2015, S. 236).“ Hape Kerkeling würde seine Biografie wahrscheinlich nicht als gebrochen bezeichnen. Trotzdem wird im Hinblick auf dieses Thema in der zweistündigen Unterrichtseinheit mit einem traumatischen Abschnitt aus seinem Leben gearbeitet. Zudem werden Thomas Dechert und Karin Migdalek, zwei Überlebende des Tsunamis 2004 im Indischen Ozean, beleuchtet. Die Schülerinnen und Schüler werden sich in der Doppelstunde nicht nur ihrer eigenen Lebensziele besser bewusst, sondern erfahren auch, dass das mögliche und plötzliche Scheitern bestimmter Lebensziele jeden Menschen unvermittelt und zu jeder Zeit treffen kann.
Im Lehrplan kann das Stundenthema dem Kapitel „K 11.4 Der Mensch im Horizont des Gottesglaubens: christliches Menschenbild" (Lehrplan, 11/12 Katholische Religionslehre) untergeordnet werden. Hier speziell bezieht es sich zum einen auf den ersten Unterpunkt „Lebensstile und Sinnoptionen in der Gesellschaft: Ausdruck von Grundaspekten des Menschseins und seiner Ambivalenz, z.B. Liebe und Aggressivität, freier Wille und Determination, Glück, Gelingen und Schuld“ (Ebd). Indem die Schülerinnen und Schüler zwei bzw. drei unterschiedliche Biografien und einen jeweils prägenden Lebensausschnitt daraus kennen lernen, werden ihnen nicht nur unterschiedliche Lebensstile in der Gesellschaft bewusst, sondern auch mögliche Ambivalenzen des Menschseins. Vor allem sog. „gebrochene Biografien“ sind von dem Gegensatz ihres freien Willen einerseits und der allgemeinen Determination andererseits sehr stark geprägt. Zum anderen schließt die Behandlung des Stundenthemas auch den letzten Unterpunkt „persönliche Sinnfindung und Identität als biografische Aufgabe: Sinndimensionen und Weichenstellungen des eigenen Lebens überdenken“ (Lehrplan, 11/12 Katholische Religionslehre) mit ein. Schließlich wird in der Doppelstunde mit zwei prägenden Lebensausschnitten verschiedener Personen gearbeitet und die Schülerinnen und Schüler werden dabei durch Fragen immer wieder angeregt, bestimmte Situationen mit ihrer eigenen Biografie oder ihrem engeren Umfeld in Beziehung zu setzen.
Im Hinblick auf den Zielhorizont der Unterrichtseinheit sollen die Jugendlichen zunächst eine allgemeine Kenntnis über den Begriff „gebrochene Biografien“ haben. Zudem sollen sie die Fähigkeit erwerben Menschen mit „gebrochenen Biografien“ im fernen sowie im näheren Umfeld mit Toleranz gegenübertreten zu können. Ferner ist es ein weiteres Ziel der Doppelstunde, bei den Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein für die möglichen Probleme solcher Menschen hervorzurufen. Wünschenswert wäre es außerdem, dass bei der Klasse ein generelles Interesse geweckt wird, das im idealen Fall in einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema enden könnte.
Bei der Beschäftigung mit dem Thema werden den Jugendlichen verschiedene Kompetenzen abverlangt. Ganz allgemein sollen sie für ungerade, „gebrochene Biografien“ sensibel sein. Vor der Arbeit an den Biografien soll festgestellt werden, dass jeder – auch schon die Schülerinnen und Schüler in ihrem noch jungen Alter – Lebensziele haben. Des Weiteren nehmen die Klassenmitglieder in mehreren Unterrichtssituationen Stellung, indem sie beispielsweise darauf eingehen, ob der (christliche) Gottesglaube bei schweren Schicksalsschlägen helfen kann. Gestalterisch tätig werden können sie durch die Formulierung von eigenen Trostsprüchen. In Gruppendiskussionen solle sowohl aufeinander eingegangen, als auch die eigene Meinung vertreten werden können. Zuletzt sollen die Schülerinnen und Schüler „gebrochene Biografien“ und deren schwere Schicksalsschläge mit anderen Augen sehen lernen.
Stundenthema: „Gebrochene Biografien“
Lehrplanbezug: K 11.4 Der Mensch im Horizont des Gottesglaubens: christliches Menschenbild
Zielhorizont:
Zentrale Kompetenzen:
Phase/ Zeit | Inhalt | SF/ Medien |
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1. Einstieg
| Tafel wird aufgeklappt. Sprichwort „Schlimm ist es nicht, hinzufallen. Schlimm ist es nur, nicht mehr aufzustehen!“ steht als stummer Impuls angeschrieben. In einem UG wird näher darauf eingegangen. | UG/ TA |
2. Anschauungsphase | Blatt mit Lebenszielen wird in EA und PA bearbeitet. | EA, PA / AB |
3. Erarbeitungsphase | Kurze PPP zu „gebrochenen Biografien“ im Allgemeinen | LV, UG / Laptop, Beamer |
4. Abstraktionsphase
| Klasse wird in zwei Gruppen eingeteilt. Jeder begibt sich an den entsprechenden Tisch und bearbeitet das AB. Dieses darf nach der ersten Runde mitgenommen werden. Zweite Runde erfolgt nach der Hälfte der Zeit. Blatt soll anschließend ebenfalls mitgenommen werden. | EA, PA, GrA/ AB, Folien, Folienstifte, Plakate, Plakatstifte |
5. Vertiefungsphase
| Biografien werden kurz vorgestellt, dazugehörige Fragen besprochen und die Folien bzw. Plakate dazu präsentiert. Durch Zusatzfragen des Lehrers wird der persönliche Bezug zur eigenen Biografie hergestellt. | UG / Folien, OHP, Plakate |
6. Ergebnissicherung | Folie mit Impulsfragen beantworten lassen; evtl. Antworten mit Folienstift eintragen (Puffer) | UG/ OHP, Folie |
Abkürzungen:
SF= Sozialform, UG= Unterrichtsgespräch, TA= Tafelanschrieb, EA= Einzelarbeit, PA = Partnerarbeit, AB= Arbeitsblatt, PPP= Power-Point-Präsentation, LV= Lehrervortrag, GrA= Gruppenarbeit, OHP= Overheadprojektor
Wahrscheinlich würde Hape Kerkeling, der erfolgreiche Unterhaltungskünstler, Komiker, Fernsehstar und Autor zweier Bestsellerromane, seine eigene Biografie nicht unbedingt als gebrochen bezeichnen. Auch Thomas Dechert und Karin Migdalek, die abgesehen von ihrem traumatischen Tsunamierlebnis einen ganz normalen Alltag in Deutschland haben, würden mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht erwarten, dass Teile ihrer Biografie mit Schülerinnen und Schülern an einem Gymnasium im Religionsunterricht erarbeitet werden könnte. Deshalb stellt sich zunächst die Frage, anhand welcher Kriterien genau diese drei Personen zum Thema „gebrochene Biografien“ ausgewählt wurden. Mendl erstellte hierfür ein spezielles Kriterienraster, um gewinnbringendes, orientierungsgeleitetes Lernen bei den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen:
Sowohl Hape Kerkeling als auch Thomas Dechert und Karin Migdalek werden kurz im Porträt beschrieben. Sie werden im Unterricht nicht nur nebenbei erwähnt, sondern ihr Verhalten steht ganz konkret im Mittelpunkt der Arbeit. Bei Thomas und Karin kann außerdem ein bestimmter Lebensausschnitt einer religiös relevanten Kategorie zugeordnet werden. In den Tagen nach dem Tsunami ist ihr Verhalten eindeutig mit den Werken der Barmherzigkeit (Mt 25) in Verbindung zu bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes speisten die beiden Hungrige, tränkten Durstige, pflegten Kranke, bekleideten Nackte, kümmerten sich um Fremde und begruben Tote. Demgegenüber gehört das Verhalten von Hape auch einer ethisch relevanten Kategorie an: dem Weltethos. Mit großem Engagement trägt er nun schon seit vielen Jahren zur Völkerverständigung, zu Gerechtigkeit oder Frieden bei. Des Weiteren mussten sich alle drei Personen lebensgeschichtlich prägenden Herausforderungen oder Entscheidungssituationen stellen. Die drei erfüllen ferner auch das letzte Kriterium von Mendls Raster und werden bei dem Beitrag nicht überhöht oder geglättet dargestellt (Vgl. Mendl, 2005, S. 98).
Hape Kerkeling, Thomas Dechert und Karin Migdalek eignen sich also theoretisch für ein gewinnbringend orientierungsgeleitetes Lernen im Religionsunterricht. Im Lehrplan für die bayerischen Gymnasien wird aber das Thema „gebrochene Biografien“ oder die Beschäftigung mit Biografien im Allgemeinen nicht explizit erwähnt. Warum ist es dennoch sinnvoll sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen? Laut Rickers gibt es zum einen offenbar ein verstärktes Interesse Jugendlicher zu Persönlichkeiten des Nah- und Fernbereichs. Zum anderen sieht er in der biografischen Ausrichtung des Religionsunterrichts einen erheblichen „Vorteil, weil sich Wege gelungener christlicher Existenz besonders anschaulich an Personen darstellen lassen, nicht nur in kognitiver, sondern auch in emotionaler Hinsicht (Rickers, 2008, S. 214).“
Um einen Übergang vom Alltag der Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsgegenstand zu schaffen, bedarf es eines Einstiegs, der das Interesse der Klassenmitglieder weckt. Dazu schiebt die Lehrkraft die Tafel hoch, auf der ein wohl vielen bekanntes Sprichwort geschrieben steht: „Schlimm ist es nicht, hinzufallen. Schlimm ist es nur, nicht mehr aufzustehen!“. In einem kurzen stummen Impuls wird jeder in der Klasse das Sprichwort lesen. In einem darauffolgenden Unterrichtsgespräch wird anhand von Nachfragen des Lehrers bzw. der Lehrerin etwas näher darauf eingegangen: Wer kennt das Sprichwort? Wer kennt es nicht? Was versteht man genau darunter? Wer kann ein Beispiel nennen, zu dem das Sprichwort passt? Passt es eventuell zu einer schon geschehenen Situation im eigenem Leben? Der Einstieg endet damit, dass die Lehrkraft klärt, worum es in der folgenden Doppelstunde geht. Sie leitet über, indem sie sagt, dass das Sprichwort zu dem heutigen Thema „gebrochene Biografien“ passt. Der Begriff an sich wird erst in einer späteren Phase genauer erklärt. Spürbare Begeisterung der Lehrerin bzw. des Lehrers helfen dabei, bei der Klasse auf größeres Interesse zu stoßen.
In der Anschauungsphase wird jedem ein Arbeitsblatt ausgeteilt, das sowohl in Einzelarbeit als auch in Partnerarbeit bearbeitet wird. Es geht darin um Lebensziele, die jeder Mensch hat. Wahrscheinlich sind sich die meisten Jugendlichen ihrer Lebensziele noch nicht bewusst. Ein kleiner Test hilft ihnen nicht nur dabei, sich Gedanken über ihre eigenen Ziele im Leben zu machen, sondern zeigt ihnen auch auf, wie es sein kann, wenn nicht alle Lebensziele erreicht werden können. In dieser Phase wird versucht etwas auf das Thema einzustimmen. Schließlich sind bei den „gebrochenen Biografien“ meist ganz unvermittelt bestimmte Lebensziele aus den unterschiedlichsten Gründen weggefallen.
Die Klasse weiß bereits, dass es sich in den beiden Unterrichtsstunden um „gebrochene Biografien“ handeln wird. Was man jedoch genau darunter versteht, wird nun in der Erarbeitungsphase geklärt. Diese ist eher kleinschrittig und von der Lehrkraft gelenkt. In einer kurzen Power-Point-Präsentation werden die Jugendlichen zuerst gefragt, was ihrer Meinung nach „gebrochene Biografien“ seien. Vielleicht kann der ein oder andere sich schon etwas darunter vorstellen. Auf der nächsten Folie werden ein paar konkrete Beispiele genannt: aus der Erfolgsspur geratene Promi-Helden, Negativvorbilder, Anti-Helden, biblische Sünder, Menschen mit Handicaps oder auch Heilige und Märtyrer der Geschichte. Nach Mendl sind dies „neben tatsächlich Gescheiterten auch solche Menschen, die gerade im Umgang mit den Grenzen, mit dem Scheitern und dem Sterben Größe und Mut bewiesen haben“ (Mendl, 2015, S. 236). In einem nächsten Schritt werden der Klasse sechs Fotos von unterschiedlichen Personen präsentiert. Bestimmt erkennt jemand den ein oder anderen auf einem der Bilder. Es handelt sich dabei um Personen, die nach dem Kriterienraster von Mendl in die Kategorie „gebrochene Biografien“ eingeordnet werden können: Karl Theodor zu Guttenberg, der sein Amt wegen bestätigten Plagiatsvorwürfen aufgeben musste, Uli Hoeneß, der wegen Steuerhinterziehung zu mehrjähriger Haft verurteilt wurde, oder Margot Käsmann, die freiwillig von ihrem Amt zurücktrat, als sie mit Alkohol hinterm Steuer erwischt wurde. Bestimmt erkennen einige in der Klasse den Fußballspieler Dani Alves. Ihm wurde aus rassistischen Gründen während eines Eckstoßes eine Banane vor die Füße geworfen. Er ging damit aber locker um, indem er die Banane aufhob, langsam schälte und genüsslich aß, bevor er weiter spielte. Neben den aus den öffentlichen Medien bekannten Personen befindet sich auch jemand aus der Geschichte darunter: Dietrich Bonhoeffer, der in einem Konzentrationslager hingerichtet wurde und bis zum Schluss zu seinen Glauben stand. Außerdem findet sich unter den Bildern die 12-jährige Julia Straub. Sie kämpfte bis zuletzt gegen den Krebs mit erstaunlich großer Stärke. Zusammenfassend steht auf einer letzten Folie, dass es sowohl im Positiven als auch im Negativen möglich ist, zu zeigen, wie man mit Scheitern umgehen kann. Zusammen in einem Unterrichtsgespräch kann nun erarbeitet werden, wer von den vorhin gezeigten Personen eher positiv und wer eher negativ mit dem Scheitern umgeht. Hier müsse man nur Käsmann, die freiwillig von allen Ämtern zurücktrat, Guttenberg gegenüberstellen, der bis zum Schluss alles abstritt und schmerzlich an seinem Amt hing (Vgl. ebd., S. 236-242).
Am Schluss der Anschauungsphase verweist der Lehrer bzw. die Lehrerin darauf, dass gebrochene Biografien weniger schlimm sind, als vielleicht am Anfang der Stunde von den meisten angenommen. Höppner ist der Meinung, dass in „unserer Öffentlichkeit (...) eine Atmosphäre [fehlt], in der es erlaubt ist, Fehler zu machen. Wer keine Fehler machen darf, lernt [nämlich] nichts dazu [und] Fehler machen gehört zum Lernen“ (Höppner, 2010, S. 61).
Zu Beginn der Abstraktionsphase werden die Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen eingeteilt. Jeder begibt sich daraufhin an den entsprechend aufgebauten Gruppentisch und bearbeitet das Arbeitsblatt je nach Aufforderung in Einzelarbeit, in Partnerarbeit oder in Gruppenarbeit. Nach der Hälfte der Zeit wechseln die zwei Gruppen und alle bearbeiten das jeweils andere Arbeitsblatt, sodass jeder zum Schluss beide Blätter ausgefüllt und bearbeitet mitnehmen kann. In der ersten Gruppe handelt es sich um Thomas Dechert und Karin Migdalek: zwei Personen, die vor ziemlich genau zehn Jahren den Tsunami im Indischen Ozean auf einer anfangs noch paradiesischen Taucherinsel überlebten. Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, haben die beiden immer noch mit ihrem Trauma zu kämpfen. Zwei Seelsorger der evangelischen Notfallseelsorge helfen ihnen mit den schrecklichen Erinnerungen fertig zu werden. Nach einem einseitigen Informationstext befinden sich auf der Rückseite des Arbeitsblattes vier Aufgaben, welche bearbeitet werden sollen. In der ersten soll man sich in Einzelarbeit drei Fragen ausdenken, die man den beiden heute gerne stellen würde. Anschließend überlegt sich jeder eine andere Lebenssituation, in denen Menschen ein schreckliches Unheil geschehen ist und schreibt diese in der Ich-Form in die darunter stehende Wolke. Daraufhin werden Trostsprüche formuliert und in die nebenstehenden Sprechblasen eingetragen. Die Gruppe muss sich auf eine Version einigen, diese dann auf die ausgeteilte Folie übertragen, damit dies zum Schluss für alle auf dem Overheadprojektor sichtbar, präsentiert werden kann. In der vierten Aufgabe diskutiert die Gruppe untereinander, ob Trostsprüche hilfreich seien oder nicht. Hilft der Trost mehr dem, der ihn formuliert, oder dem, an den er gerichtet ist? Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt hier eindeutig auf der Seite der Schülerinnen und Schüler. Die Lehrkraft tritt vor allem als Beraterin bzw. Berater auf oder stößt durch kleinere Impulsfragen eine weitere Diskussion an, falls der Gruppe zu schnell der Diskussionsstoff ausgeht. Dies liegt meist an der gruppeninternen Dynamik, die von Tag zu Tag und auch von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich ausfallen kann. Die zweite Gruppe liest sich in der gleichen Zeit den Informationstext zu Hape Kerkeling, einer Person der Öffentlichkeit, durch. Darin wird beschrieben, wie Kerkeling als Achtjähriger den Suizid seiner Mutter mitbekommt, sie theoretisch noch retten könnte, aber in Schockstarre verfallen, nichts unternimmt. In der sich darunter befindenden ersten Aufgabe sollen die Schülerinnen und Schüler Sätze vervollständigen: beispielweise, was sie an der ganzen Geschichte verwundert, was sie an Hape schätzen oder was sie von ihm lernen können. In einer weiteren Aufgabe überlegt sich jeder in Einzelarbeit, ob es einen Bekannten aus dem näheren persönlichen Umfeld gibt, den auch ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hat und trotzdem – genau wie Kerkeling – seine positive Gemütsverfassung beibehält. In der letzten Aufgabe heißt es, dass es für Hape wichtig sei, sein Grundvertrauen in Gott und die Menschen um einen herum nicht zu verlieren. Die Gruppe soll sich nun dazu äußern, ob und inwiefern der (christliche) Gottesglaube bei einem schweren Schicksalsschlag helfen kann. In einem bereitliegenden Plakat sollen Argumente dafür in das Akrostichon GLAUBE geschrieben werden, um es anschließend der ganzen Klasse vorstellen zu können. In dieser Phase beobachtet die Lehrkraft ihre Schülerinnen und Schüler individuell und hilft bei möglichen Problemen. Sie widmet sich komplett den Jugendlichen und beschäftigt sich auch nicht anderweitig.
In der darauffolgenden Vertiefungsphase wird mit den in der Abstraktionsphase herausgearbeiteten Erkenntnissen weitergearbeitet, um das Verständnis zu vertiefen und Kompetenzen zu sichern. Die Biografien werden in einem Unterrichtsgespräch von unterschiedlichen Schülerinnen bzw. Schülern kurz vorgestellt und die dazugehörigen Fragen besprochen. Dabei werden verschiedene Sichtweisen der Jugendlichen deutlich. Durch weitere Nachfragen der Lehrerin bzw. des Lehrers soll so jede Frage vertieft besprochen werden. Bei den Aufgaben zu Thomas und Karin wird die Folie beider Gruppen gezeigt und miteinander verglichen. Bei der Besprechung zu Kerkeling werden die beiden Plakate mit dem Akrostichon GLAUBE an der Klassenzimmerwand befestigt.
Da das Timing einer Unterrichtsstunde bzw. einer Doppelstunde oft sehr schlecht planbar ist, ist es sinnvoll zum Schluss eine Art „Ziehharmonika-Stelle“ einzubauen, an der entweder das in der Stunde Erkannte kurz zusammengefasst oder noch etwas länger besprochen wird. Dazu wird eine Folie auf den Overheadprojektor gelegt, auf der drei Fragen stehen. Zum einen soll ein Klassenmitglied beschreiben, was die drei besprochenen Personen gemeinsam haben. Somit wird nicht nur nochmal wiederholt, wer die besprochenen Personen waren und was sie gemacht haben, sondern auch ihre Gemeinsamkeit deutlich: Sie gehen in ihrem Leiden mit einer gewissen Stärke und einem großen Optimismus durchs Leben. Sie können also der Kategorie „gebrochene Biografien“ zugeordnet werden. Manch einer mag sie Vorbild, Held oder Ähnliches nennen. Wichtig ist jedoch nicht der Begriff für jene Personen, sondern die Eigenschaften, die sie zu einer Art Vorbild machen. Dies wäre die zweite Frage in der Phase der Ergebnissicherung. Die Jugendlichen werden hier höchstwahrscheinlich ganz unterschiedliche Eigenschaften aufzählen. Der Berliner Historiker Alexander Demandt meint, dass das „Durchhalten, die übermenschliche Leistung, die ‚Bereitschaft zum Opfer und zum Leiden (...) seit jeher zum Wesen“ (Jacobs, 2002. S.1.) jener Personen gehören. In der letzten Frage soll beantwortet werden, wodurch oder worin man selbst gerne ein Vorbild für andere sein würde. Anhand der Fragestellung sind die Jugendlichen gezwungen, Charaktereigenschaften oder ein bestimmtes Verhalten in bestimmten Situationen zu nennen. So kann auch keiner auf die Idee kommen, zu sagen, man sei gerne genau wie diese oder jene Person. Ammicht-Quinn brachte diesen Gedanken auf den Punkt: Es braucht „Vor-Bilder, die nicht fordern, dass Menschen Gandhi oder Sophie Scholl (...) werden (...), sondern Vor-Bilder, die fordern, dass Menschen zu Menschen werden in Freiheit und Mündigkeit und Freundschaft" (Ammicht-Quinn, 2008, S. 75).
Ammicht-Quinn, Regina: Risiken und Nebenwirkungen: Wann sind Vorbilder „gut“? In: Sehnucht nach Orientierung. Vorbilder im Religionsunterricht (Jahrbuch für Religionspädagogik. Band 24). Göttingen 2008. S. 65-78.
:in Religion. Unterrichtsmaterialien Sek. I: Lernen an gebrochenen Biografien. H. 3. Jahrgang 2014.
Höppner, Reinhard: Wer lernt, darf Fehler machen. In: Kuhlmann, Helga: Fehlbare Vorbilder in Bibel, Christentum und Kirchen. Von Engeln, Propheten und Heiligen bis zu Päpsten und Bischöfinnen, Münster 2010. S. 55-66.
Mendl, Hans: Lernen an (außer-)gewöhnlichen Biografien. Religionspädagogische Anregungen für die Unterrichtspraxis. Donauwörth 2005.
Mendl, Hans: Modelle – Vorbilder – Leitfiguren. Lernen an außergewöhnlichen Biografien. Stuttgart 2015.
Rickers, Folkert: „Kritisch gebrochene Vorbilder“ in der religiösen Erziehung. In: Sehnsucht nach Orientierung. Vorbilder im Religionsunterricht (Jahrbuch für Religionspädagogik. Band 24). Göttingen 2008. S. 213-238.
Horn, Julia: Tsunami. Überlebt, aber nicht überwunden
(Text für die Dokumentation „Menschen hautnah“ des WDR vom 06.11.2014)
www1.wdr.de/fernsehen/dokumentation_reportage/menschen-hautnah/sendungen/tsunami114.html
(letzter Zugriff: 03.02.2015)
Jacobs, Claudia u.a: Rückkehr der Helden. In: Focus. Zeit für Helden. H. 9. Jahrgang 2002.
www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-rueckkehr-der-helden_aid_207758.html
(letzter Zugriff: 02.02.2015)
Lehrplan für das Gymnasium in Bayern
(Jahrgangsstufe 11/12 Katholische Religionslehre)
www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php
(letzter Zugriff: 13.03.2015)
Weidermann, Volker: Hape Kerkeling. Er hat seine Gründe.
(Artikel aus der FAZ vom 10.12.2014)
www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/hape-kerkeling-er-hat-seine-gruende-13203087.html
(letzter Zugriff: 03.02.2015)