ZfS: Herr Dr. Geipel, Sie haben sich umfangreich mit dem Thema Zeugenbeweis und Lügenerkennung auseinandergesetzt. Welchen Aspekt davon vermitteln Sie den Studierenden in Ihrem Seminar?
Dr. Geipel: Ich möchte die Studierenden auf das Kernstück eines jeden Prozesses vorbereiten, nämlich auf die Frage: „Was geschah?“.
ZfS: Warum sollte man dabei gerade mit klassischen Beweismitteln kritisch umgehen?
Dr. Geipel: Weil sämtliche Studien zu diesem Thema weltweit ein hohes Fehlurteilsrisiko belegen.
ZfS: Sie vertreten die Ansicht, falsche Beweiswürdigungen seien die Hauptursache von Justizirrtümern. Wie kommen Sie darauf?
Dr. Geipel: Weil die Beweiswürdigung die schwierigste Aufgabe eines jeden Verfahrens ist, der Studierende oder auch Referendarinnen und Referendare hierauf aber nicht vorbereitet werden, denn es handelt sich zwar um eine Kernaufgabe in der Praxis, aber gerade keine wesensmäßig juristische Tätigkeit. Nur die nachfolgende Begründung eines im Wesentlichen nicht juristisch gefundenen Ergebnisses stellt wiederum eine juristische Tätigkeit dar.
ZfS: Was entgeht den Studierenden, wenn sie Ihr Seminar nicht besuchen?
Dr. Geipel: Ihnen entgeht ein Einblick in die Praxis und Kenntnisse, die insofern dem Kenntnisstand von vielen Richtern überlegen sind. Es werden nur Originalfälle an Hand von Originalakten behandelt. Nach Abschluss des Seminars kann jeder Teilnehmende die vorgestellten Fälle effektiver lösen, als sie tatsächlich gelöst worden sind.
ZfS: Wollen Sie den Studierenden abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?
Dr. Geipel: Man sollte sich gerade im Studium auch Zeit für außerjuristische Tätigkeiten nehmen.