ZKK: Lieber Herr Konrad, Sie bieten im laufenden Sommersemester viele Seminare an, die sich mit dem Berufseinstieg nach einem geisteswissenschaftlichen Studium beschäftigen. Warum erkennen Sie gerade in dieser Disziplin eine besondere Notwendigkeit, die Absolventinnen und Absolventen bei der Berufsorientierung zu begleiten?
Vincent Konrad: Als Ärztin oder Lehrer beispielsweise ist der Berufseinstieg relativ standardisiert. Die Absolventinnen und Absolventen der Geisteswissenschaften sind dagegen gefordert, selbst aktiv zu werden. Das ist nicht für alle leicht. Ich sehe allerdings auch enorme Chancen. Denn auch die Ärztin oder der Lehrer kann nach dem Berufseinstieg mit der Studienwahl hadern. Sobald Vorstellungen auf Realitäten treffen, kann es immer zu Enttäuschungen kommen. Der Ärztin missfällt die Bürokratie und der Zeitmangel, der Lehrer hat Probleme im Umgang mit pubertierenden Schülerinnen und Schülern. Für die Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler ist es vorteilhaft, schon während des Studiums erste Orientierung zu finden. Das Seminar steigert Willensstärke, Selbstbewusstsein und Ambition der Teilnehmenden, damit diese motiviert und proaktiv die nächsten Schritte angehen.
ZKK: Im Juli halten Sie beispielsweise ein Webinar zum Thema „Berufseinstieg mit Studienabschluss in Kuwi und European Studies“. Welche konkreten Inhalte stehen denn auf dem Seminarplan?
Konrad: Die Identifizierung der persönlichen Talente und Ressourcen steht im Fokus - also der Blick nach innen. Wir suchen Antworten auf die Fragen: Was treibt mich an? Was macht mich neugierig? Wofür brenne ich wirklich? Oft fällt es uns gar nicht auf, in welchen Bereichen die eigenen Talente schlummern. Denn was leichtfällt, hat geringen Stellenwert. Es geht ja leicht von der Hand! So quälen sich viele in Bereichen, die ihnen eigentlich nicht liegen. Stärken zu stärken, anstatt an den eigenen Schwächen zu doktern, bringt Vorteile. Anschließend wechselt die Perspektive ins außen: Was „können“ Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler besonders gut? Welche Jobmöglichkeiten gibt es für sie? Was sind die größten Fehler beim Berufseinstieg? Wie können die Studierenden ihr Netzwerk nutzen und erweitern?
ZKK: Wie werden diese Inhalte den Studierenden vermittelt?
Konrad: Viele Studierenden bringen bereits Erfahrungen aus unterschiedlichen Tätigkeiten mit. Diese machen wir sichtbar und ermöglichen das Teilen von Best-Practice-Beispielen. Mittels Interaktion stellen wir zudem Perspektivwechsel her, damit die Studierenden persönliches Feedback zu ihren individuellen Fähigkeiten erhalten. Herbei nutze ich auch kreative Trainingsmethoden. Aus der Gehirnforschung wissen wir nämlich, wie wichtig die Nutzung von Kreativität bei Lernerfahrungen ist. Aufgrund meiner Erfahrung aus über 850 Jobcoachings kann ich die Studierenden hoffentlich vor den schlimmsten Fettnäpfchen bewahren. Diese habe ich in den „15 größten Fehlern beim Berufseinstieg“ zusammengefasst.
ZKK: Studierende der Geisteswissenschaften hören – vor allem aus dem engeren Umfeld – oft Sätze wie: „Und was willst du damit dann später machen?“ Vor allem Studierende in den unteren Bachelor-Semestern kann so eine Frage oft verunsichern. Können Sie ein paar Tipps nennen, um in solchen Fällen geschickt zu kontern?
Konrad: Das kommt auf die eigene Persönlichkeit an. Die Antwort kann beispielsweise humorvoll sein: „Na Taxifahren, natürlich!“ oder sachlich: „Mich zieht es in die Richtung … (Journalismus, Bildungsbranche, Personal, Medien, Beratung etc.)“ oder ehrlich, optimistisch: „Das werde ich während meiner Praktika herausfinden“. Je früher eine Idee heranreift, wo die eigenen beruflichen Interessen liegen, desto besser. Deshalb empfehle ich, bereits als Studienanfängerin und -anfänger, Kontakt zu Unternehmen herzustellen, Beispielsweise beim KuWi Karrieretag oder der Karrieremesse Campus meets Company. So können Studierende auch Tante und Onkel von diesen Gesprächen erzählen und sie so milde stimmen.