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Interview mit Agnes Schiedt

ZKK: Hallo Frau Schiedt, Sie bieten ein Seminar zur Work-Life-Balance speziell für Studierende an – was hat Sie dazu motiviert, dieses Thema in den Hochschulkontext zu bringen?

Agnes Schiedt: Ich habe selbst erlebt, was passiert, wenn die Balance zwischen Arbeit und Privatleben dauerhaft aus dem Gleichgewicht gerät. Als Architektin, Mutter und Pendlerin war ich jahrelang unter Dauerbelastung, bis mein Körper irgendwann gestreikt hat. Erst durch eine intensive Phase der Reflexion, Achtsamkeit und persönlichen Veränderung habe ich zurück in meine Kraft gefunden. Diese Erfahrung möchte ich weitergeben – besonders an junge Menschen, die gerade ihr Fundament fürs Leben legen.

ZKK: Warum ist es gerade im Studium so schwer, eine gesunde Balance zwischen Uni, 
Nebenjob und Freizeit zu finden? 

Agnes Schiedt: Das Studium bringt oft mehrere Herausforderungen gleichzeitig mit sich: Prüfungsdruck, finanzielle Sorgen, organisatorischer Aufwand im Alltag und oft zusätzlich ein Nebenjob. Das erfordert enorm viel Zeit- und Selbstmanagement. Studierende kommen dabei immer wieder an ihre Belastungsgrenzen, weil ihnen (wie auch Menschen jeden Alters) ausreichende Strategien fehlen, wie sie mit diesen Anforderungen gut umgehen können.

ZKK: Die Teilnehmenden erstellen im Vorfeld ein persönliches Stresstagebuch. Warum ist 
diese Reflexion so wichtig – und was lernen die Studierenden dabei über sich selbst?

Agnes Schiedt: Ein Stresstagebuch macht sichtbar, was mich genau stresst und wie ich darauf reagiere. Durch das Aufschreiben merken einige Studierende zum ersten Mal, wie stark persönliche Glaubenssätze, äußere Stressfaktoren und innere Antreiber ihr Stresserleben beeinflussen. Diese Erkenntnis ist ein erster wichtiger Schritt, um Veränderungen möglich zu machen.

ZKK: Welche Methoden oder Übungen aus dem Seminar lassen sich besonders gut in 
den stressigen Studienalltag integrieren?


Agnes Schiedt: Sehr gut geeignet ist z.B. die kognitive Umstrukturierung. Sie ist eine Art Selbstcoaching, bei dem ungünstige Gedanken und belastende Situationen kritisch hinterfragt werden und andere, weniger stressende Arten des Denkens überprüft und angewandt werden. Zwei Beispiele hierfür sind: 
„Wunderfrage“: „Was wäre anders, wenn das Problem über Nacht gelöst wäre?“ – Diese Frage kann helfen, seine Perspektive zu wechseln und Lösungen zu sehen. 
„Temporale Relativierung“: „Wie werde ich in einem Jahr (oder in fünf Jahren) über diese Situation denken?“ – Diese Frage kann dem Stress häufig die Dramatik nehmen.

Kurze Achtsamkeits-, Bewegungs- und Entspannungsübungen sind auch sehr wirksam gegen Stress. Sich regelmäßig bewusst zu machen, woraus man Kraft schöpft und diese Ressourcen auch öfter in den Alltag einzubauen, fördert die Balance im Leben.

ZKK: Sie sprechen im Seminar auch über Themen wie Resilienz und Mentaltraining. Wie 
hängen diese Aspekte mit einer gesunden Balance zusammen?

Agnes Schiedt: Resilienz, also die psychische Widerstandskraft, hilft uns, auch in stressigen Phasen stabil zu bleiben. Sie kann sogar bewirken, dass wir aus Krisenzeiten gestärkter daraus hervorgehen. Mentaltraining unterstützt uns u.a. dabei, negative Gedankenspiralen zu durchbrechen und den Blick auf die eigenen Stärken, Ressourcen und das Positive in unserem Leben zu lenken. Beides ist essenziell, um eine langfristige, gesunde Balance zu bewahren.

ZKK: Was sind typische Aha-Momente, die Teilnehmende während des Seminars 
erleben?

Agnes Schiedt: Häufige Aha-Erlebnisse sind z.B. „Ich bin der wichtigste Mensch in meinem Leben“, „Ich darf Nein sagen, denn das ist ein Ja zu mir und meinen Bedürfnissen“ und „Ich bin gut genug, so wie ich bin und muss dafür nicht alles perfekt machen und können.“ 
Es sind oft kleine, aber sehr wirksame Erkenntnisse, die sofort entlasten. Besonders bewegend ist es, wenn Studierende merken, dass sie selbst viel mehr Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben, als sie dachten.

ZKK: Gibt es eine Rückmeldung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist – 
vielleicht von jemandem, der danach ganz konkret etwas im Alltag verändert hat?

Agnes Schiedt: Ich erinnere mich an eine Teilnehmerin, die nach dem Seminar sagte: „Ich dachte immer, ich sei einfach so – ständig unter Strom. Aber jetzt weiß ich, dass ich das ändern kann.“ Sie hat danach ihr Zeitmanagement komplett überarbeitet und regelmäßig „schöne“ Pausen und Entspannungszeiten eingeplant und schrieb mir später, wie sehr sich ihr Leben dadurch verbessert hat.

ZKK: Welche Tipps würden Sie Studierenden geben, die das Gefühl haben, ständig im 
„Funktionsmodus“ zu sein und kaum noch Pausen zuzulassen?

Agnes Schiedt: Hinterfragen Sie Ihre inneren Antreiber, z.B. mit den Sätzen „Muss wirklich immer alles perfekt sein?“ und „Darf ich auch mal unproduktiv sein?“
Pausen sind keine Schwäche, sondern wahre Schätze und Voraussetzung für eine gute, konstante Leistungsfähigkeit. Erlauben Sie sich bewusst „runterzufahren“ – und zwar ohne schlechtes Gewissen. 
Ganz wichtig ist es auch für eine gute Balance im Leben, Pausen mit sich alleine und mit anderen Menschen, die einem gut tun, zu verbringen und zu genießen.

ZKK: Das Seminar richtet sich nicht nur auf das Studium, sondern schaut auch auf die 
Zeit danach. Warum ist dieser langfristige Blick so wichtig?

Agnes Schiedt: Stress begleitet uns phasenweise unser ganzes Leben lang, im Beruf, in der Familie und in Beziehungen. Wer früh lernt, gut mit sich umzugehen, schafft sich ein stabiles Fundament für spätere Herausforderungen. Ich flechte in meinem Seminar immer wieder Impulse ein, die auch über das Studium hinaus hilfreich sind.

ZKK: Für wen eignet sich das Seminar besonders – und braucht man schon Vorwissen 
zum Thema Stress oder Achtsamkeit?

Agnes Schiedt: Das Seminar richtet sich an alle Studierenden – ganz unabhängig vom Vorwissen. Es geht darum, sich selbst besser kennenzulernen und Strategien für einen gesunden Umgang mit Belastungen zu entwickeln. Jeder bringt andere Themen mit, und genau darin liegt der Reiz. Das Seminar ist sehr individuell und praxisnah.

ZKK: Vielen Dank!

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