Wenn Texte und Bildnisse mutwillig oder zufällig beschädigt, überschrieben, bemalt oder anderweitig bearbeitet wurden, treten dabei Facetten einer ökologischen Kulturgeschichte des Papiers in den Blick, die ein breites thematisches Spektrum umfassen – von den verarbeiteten Rohstoffen und den Bedingungen ihrer Gewinnung, häufig in kolonialen Räumen, über die mediale Selbstreflexion von Autorinnen und Autoren bis hin zu nicht-menschlichen Einflüssen wie Feuer- und Wasserschäden, Insektenbefall und schadanfällige Lagerung, die das materielle Archiv auf Dauer prägen.
Die internationale Konferenz „Spoliation, Damage, and the Ecological History of paper“, die vom 4. bis 5. Dezember an der Universität Passau ausgerichtet wurde, eröffnete neue Perspektiven auf diese zentralen Forschungsthemen. Sie brachte international renommierte Forschende aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Deutschland nach Passau. Organisiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Katharina Boehm (Lehrstuhl für Englische Literatur und Kultur an der Universität Passau) in Kooperation mit Prof. Dr. Emily Senior (University of Cambridge, GB) und Prof. Dr. James Wood (University of East Anglia, GB). Expertinnen und Experten aus Literatur- und Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte und Konservierungswissenschaft präsentierten aktuelle Forschungsarbeiten und leisteten so einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung einer ökologisch orientierten Papiergeschichte.
Die vorgestellten Fallstudien reichten von Debatten über dauerhafte Inskriptionsmedien im 16. und 17. Jahrhundert bis zu multimedialen Umarbeitungen viktorianischer Romane um die Jahrtausendwende sowie den Herausforderungen der Bewahrung internationaler Kulturgüter, etwa am Beispiel des Brandes in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar im 21. Jahrhundert.
Viele Beiträge rückten in den Fokus, wie ursprüngliche Produktionskontexte – sowohl ökologische Bedingungen als auch menschliche Arbeitsverhältnisse – materielle Spuren in Papiermedien hinterlassen und welche Bedeutung diese Rückbindungen heute besitzen bzw. wie sich vergangene Kontexte mediengeschichtlich rekonstruieren lassen. Ein weiterer Schwerpunkt galt der Frage, welche Papiermedien überhaupt als bewahrungswürdig gelten und wie global ungleich verteilte Ressourcen von Archiven und Bibliotheken die Sicherung von Wissen und Beständen beeinflussen.
Insgesamt zeigten die Beiträge in eindrucksvoller Weise, welches Erkenntnispotenzial gerade in beschädigten oder von absichtlichen wie zufälligen Abnutzungsspuren gezeichneten Papieren, Büchern und Sammlungen liegt – und wie sie Einblicke in die ökologischen Zirkulationen von Rohstoffen, Organismen, Schreibpraktiken und Ideen eröffnen.