Dass die Hochschulen der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat dienen, das ist im zweiten Artikel des Bayerischen Hochschulgesetzes verankert. Was aber, wenn die Forschungsergebnisse für militärische oder kriminelle Zwecke weiterverwendet werden, die unabsehbare Folgen für die Bevölkerung und die Freiheit und Demokratie haben? Diese als Dual-Use beschriebene Problematik löst immer wieder Debatten über potenzielle Risiken eines Forschungsvorhabens aus. Aber wie können derartige Risiken überhaupt erkannt und minimiert werden? Schafft etwa eine Zivilklausel Abhilfe, nach der die Forschung ausnahmslos friedlichen Zwecken zu dienen habe?
Über diese Fragen und den Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung diskutierten Dr. Johannes Fritsch, Leiter der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Ausschusses zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von DFG und Leopoldina, Prof. Dr. Rainer Wernsmann, Lehrstuhlinhaber für Staats- und Verwaltungsrecht, Prof. Dr. Oliver Amft, Lehrstuhlinhaber für Informatik mit Schwerpunkt Sensorik, sowie Angelika Schmid, stellvertretende Sprecherin des Mittelbaukonvents und Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Statistik. Moderiert wurde die vom Graduiertenzentrum organisierte Podiumsdiskussion "Wissenschaftsfreiheit im Spannungsfeld von Ethik, Dual-Use und Zivilklausel" von Katrina Jordan, Leiterin des Referats für Medienarbeit der Universität Passau.
"Weder der Gesetzgeber noch die Universität können bestimmte Forschung verbieten, es sei denn, andere Verfassungsgüter würden sonst gefährdet. Ein Verbot würde gegen Artikel 5 des Grundgesetzes verstoßen, wonach Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind. Dieser schützt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch in der Wahl ihres Forschungsgegenstands und ihrer Forschungsmethoden", sagte Prof. Dr. Rainer Wernsmann gleich zu Beginn der Diskussion. Diese Freiheit werde durch eine Zivilklausel in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. "Eine Zivilklausel würde Innovationen verhindern", pflichtete ihm Prof. Dr. OIiver Amft bei. Stattdessen müssten Forscherinnen und Forscher und insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs für die Verantwortung der eigenen Forschung sensibilisiert werden.
Für eine Etablierung einer Ethikkommission sprach sich Dr. Johannes Fritsch aus. Deren derzeitige Aufgabe sei es, auf das viel diskutierte Thema aufmerksam zu machen. "In Zukunft sollen Ethikkommissionen beratend zur Seite stehen, Ansprechpartner sein und Empfehlungen geben können, etwa darüber, was ein erhebliches Risiko sein könnte und in der Frage, was möglicherweise verhindert wird, wenn ich das Gebiet nicht erforsche", blickte Fritsch voraus. Entscheidungskompetenzen sollen Ethikkommissionen hingegen nicht übertragen werden, da sie sich nicht zu "Regulanten" entwickeln sollen. Fritsch wünscht sich zudem einheitliche Standards zwischen den Universitäten. So könne es Probleme nach sich ziehen, wenn ein Forschungsvorhaben an einer Universität abgelehnt, an einer anderen Universität aber akzeptiert wird.
Einen großen Nutzen einer Ethikkommission für die Universität Passau sieht Oliver Amft. "Mit ihrer Hilfe könnten bereits im Vorfeld eines Forschungsvorhabens mögliche Folgen erörtert werden. Ein wichtiges Thema ist der Datenschutz", so Amft. Er erläuterte seinen Standpunkt mit dem Beispiel der Einführung von Fitness-Trackern durch amerikanische Krankenkassen: "Je besser die Fitness und die Ernährung, desto geringer die Krankenkassenbeiträge. Die Sammlung und Bewertung der gesammelten Daten ist jedoch kritisch zu sehen, weil Missbrauchsrisiken in Form von Überwachung drohen. Oftmals geben Nutzer individuelle Informationen über sich preis, können aber erst viel später realisieren, was Unternehmen mit diesen Daten herausfinden können und welche Risiken sich daraus für den Nutzer ergeben."
Die Universitätsleitung hat bereits in ihrer Sitzung am 26. Oktober 2016 beschlossen, an der Universität Passau eine Ethikkommission zu errichten und entsprechende Richtlinien zu erlassen. Die konstituierende Sitzung der Ethikkommission wird im Frühjahr stattfinden.
Angelika Schmid betonte, dass eine Ethikkommission nicht nur ein Papiertiger sein dürfe, sondern eine Chance sei, die Politik auf wichtige, bisher unerkannte Themen aufmerksam zu machen. Sie arbeitet derzeit an der Erstellung der "Leitlinien zur Beschäftigung des wissenschaftlichen Nachwuchses" der Universität mit. "In der Universitätsleitung herrscht ein großer Wille zur Verbesserung der Situation der Promovierenden und Habilitierenden", sagte sie. Die Universität Passau wolle sich dazu bekennen, statt kurzer und befristeter Verträge Drei-Jahres-Verträge anzubieten, die es Forscherinnen und Forscher ermöglichen, sich nicht alle paar Monate um die nächste Finanzierung sorgen zu müssen, sondern über ihre Interessen und Vorhaben nachdenken zu können.