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Es darf gelacht werden – auch bei Behinderung

Die interdisziplinäre Tagung „Lachgemeinschaften?“ des Lehrstuhls für Romanische Literaturen und Kulturen der Universität Passau beschäftigte sich mit Komik und Behinderung im Schnittpunkt von Ästhetik und Soziologie.

| Lesedauer: 3 Min.

Tagung_Lachgemeinschaft

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung: Franziska Felder (v.l.), Herbert Schwaab, Dieter Kulke, Jörg Kastl, Anette Pankratz, Elisabeth Braun, Florian Hilgers, Susanne Hartwig, Soledad Pereyra, Fabian Riemen, Cosimo Mangione, Mirjam Leuzinger, Karlheinz Kleinbach, Gabriel García Fontalvo, Sven Degenhardt. (Foto: Universität Passau)

Das Lachen, jene Form von Mimik, die Wohlbefinden, Zufriedenheit und Glückseligkeit ausdrückt, gehört zu den prominentesten „Voreinstellungen“, die sich im Baukastenset „Mensch“ befinden. Es ist fest in unser aller Leben verankert und essenziell für das menschliche Zusammenleben. Wann und vor allem worüber gelacht werden darf, entscheidet allerdings noch immer unser sozialer Kontext, die Gesellschaft, in der wir aufwachsen durften. Dabei gibt es in jeder Gesellschaft auch Themen, die lieber übergangen werden, über die nicht gesprochen, ja über die noch weniger gelacht werden sollte. Zu diesen ernsten Themen zählt auch das der Menschen mit Behinderung, sei es auf körperlicher oder geistiger Ebene. Die Trennung ist hier klar: Behinderung hat wenig oder vielmehr nichts mit Humor zu tun. Was vielen durch den Kopf schießen mag: „Darüber lacht man einfach nicht“.

Eine Verknüpfung dieser zwei scheinbar so strikt getrennten Bereiche strebte die Konferenz „Lachgemeinschaften?“ des Lehrstuhls für Romanische Literaturen und Kulturen der Universität Passau unter der Leitung der Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Susanne Hartwig an. Vom 6. bis zum 8. Oktober kamen Teilnehmende aus Deutschland und Österreich in Passau zusammen, um über „Komik und Behinderung im Schnittpunkt von Ästhetik und Soziologie“ zu sprechen.

Dabei fanden unterschiedliche Bereiche der Kulturlandschaft Betrachtung, etwa die Darstellung von Behinderung und Komik in der Literatur durch Dr. Sonja Kerth (Universität Bremen) oder die von Prof. Dr. Benjamin Wihstutz (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) vorgetragene Rezeption von Ticks in darstellenden Künsten wie Tanz und Theater. In diesem Zusammenhang wurde auch die Bedeutung des Publikums betont, denn nicht nur auf der Bühne sind Menschen mit Handicap anzutreffen. Auch innerhalb des Auditoriums ließen sich unterschiedliche Erfahrungen zu Behinderung ausmachen. Die Diversität des Publikums miteinzubeziehen sei deshalb besonders wichtig, denn: „Lachen kann zum Mitlachen oder Ausgrenzen führen, beides ist möglich“, so Prof. Dr. Wihstutz.

Einen weiteren Aspekt zur Erfahrung von Humor durch Menschen mit Behinderung betrachtete Dr. Soledad Pereyra (Universität Passau) in ihrem Vortrag über das italienische Theaterstück „Superabile“, welches den Kampf von Menschen mit Behinderung im eigenen Alltag widerspiegelt. Dies soll auch eine pädagogische Wirkung auf das Publikum ausüben, da neben den Träumen und täglichen Problemen auch die Abhängigkeit und Angewiesenheit auf Begleitpersonen dargestellt wird. So wird es für die Charaktere schwierig, gemeinsam intime Momente wie einen Kuss, zu teilen, während sie stets unter der Aufsicht einer Betreuungsperson stehen. Dabei erhält die Szene mitnichten einen negativen oder gar dramatischen Beigeschmack, das Publikum muss über diese komisch anmutende Konstellation schmunzeln – und ertappt sich dabei, wie es ein wenig mehr Verständnis für die Lage von behinderten Personen aufbringen kann.

Auch der Bereich Film und Fernsehen wurde auf der Konferenz beleuchtet: Prof. Dr. Sven Degenhardt und Florian Hilgers (beide Universität Hamburg) skizzierten anhand einer Auswahl von Spielfilmen und Komödien den Einsatz von Charakteren mit Behinderung sowie von Schauspielerinnen und Schauspielern mit Einschränkungen. Letzteres ist besonders spannend, denn ein vorherrschendes Vorurteil sei nach Prof. Dr. Hartwig noch immer, dass Menschen mit geistiger Behinderung die Dynamik bzw. die Idee des Theaters nicht erfassen können und „sich selbst spielen, also authentisch sind“. Dass dies in Bezug auf Humor nicht richtig sei, erörterte sie anhand des Theaters „Dschingis Khan“, in dem Menschen mit Downsyndrom die Hauptrollen übernehmen und zeigen: Wir können genauso gut Theater!

In der täglichen Diskussion um Inklusion und Einbindung von Minderheiten scheint es manchmal zu ernst zu werden. Es geht um prozentuale Anteile, Zahlen, Größen. Oft genug wird vergessen, dass Behinderung nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltag ankommen muss. Die Tagung „Lachgemeinschaften?“ zeigt, dass dies möglich ist: Behinderung bietet viel Potenzial – auch für Komik, Humor und Witz. Denn hier gilt: Es darf nicht nur, es soll auch gelacht werden.

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