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Italien, Iran, Afghanistan: Nutzung und Planung in historischen Stadtzentren

Gerda-Henkel-Stiftung fördert Passauer Projekt mit 10.000 Euro

| Lesedauer: 3 Min.

"Management und Nutzung öffentlicher Räume in Altstadtzentren. Eine vergleichende Untersuchung in Florenz/Italien, Esfahan/Iran und Herat/Afghanistan". Dieses Projekt von Professor Dr. Manfred Hinz (Romanische Literaturwissenschaft und Landeskunde an der Universität Passau) , insbesondere eine für Sommer 2010 in Florenz geplante Tagung mit Vertretern aus Italien, Afghanistan, Iran und Deutschland, fördert die Gerda-Henkel-Stiftung in Düsseldorf mit 10.000 Euro.

Max Weber spricht in seiner Stadttheorie den Städten der Antike wie den Städten des islamischen Raums ihren Stadtcharakter genau aus dem Grund ab, weil es dort keine politisch autonom verfasste Bürgerschaft, die sich in öffentlichen Räumen organisierte, gegeben habe. Diese Theorie hat in den 30er und 40er Jahren viel Widerspruch erfahren, gilt aber seit den 60er Jahren mit einigen Einschränkungen als im Wesentlichen bestätigt.

"Jenseits dieser historischen Debatte stellt sich jedoch die Frage, wie die heutigen europäischen und islamischen Gesellschaften mit den vorhandenen öffentlichen Räumen wie Plätzen, Parks, in islamischen Städten beispielsweise auch die Moscheeinnenhöfe umgehen. In Europa (Florenz) lässt sich dabei zunächst eine zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume beobachten, die unerwünschten Nutzergruppen den Zugang erschwert", so Professor Dr. Manfred Hinz. Zugleich steigt das Konfliktpotential zwischen den Nutzergruppen an, wobei sich in der Regel die verhandlungsmächtigere Nutzergruppe (beispielsweise Einwohner gegen Immigranten, dann aber kapitalkräftige Touristen gegen Anwohner) durchsetzt. Durch diese Entmischung hebt sich genau jene Charakteristik der Stadt als öffentlicher Verhandlungsraum tendenziell auf, die Max Weber zu ihrem alles entscheidenden Kennzeichen erklärt hatte. Stattdessen entstehen um die europäischen Städte herum mit den Shopping-Malls pseudo-öffentliche Räume, die Stadtzentren simulieren, aber unter privater Kontrolle stehen. 

In den iranischen Städten (Isfahan) dagegen dienen die öffentlichen Räume nach wie vor als Kristallisationspunkte sozialer Identität und werden von den Stadtverwaltungen auch entsprechend gepflegt. "Immigrantengruppen gibt es im Iran kaum, zu Konflikten zwischen Touristen und Anwohnern kommt es nach unseren empirischen Daten nicht: Sowohl das cohesion capital, das eine soziale Gruppe definiert, wie das bridging capital, das die Vermittlung mit anderen Gruppen gewährleistet, sind sehr stark", so Hinz. 

In der europäischen Stadtsoziologie treten demgegenüber beide Formen sozialen Kapitals meist als umgekehrt proportional auf. Allerdings lässt sich auch im Iran eine gewisse Entmischung beobachten, da das mittlere und gehobene Bürgertum die neuentstandenen Shopping-Malls gegenüber dem Bazar mit seinen Plätzen bevorzugt.

In Afghanistan (Herat) existieren die pseudo-öffentlichen Räume der Shopping-Malls nicht. Neuentstandene Kaufhäuser siedeln sich meist in unmittelbarer Nähe zum Bazar im Stadtzentrum an. Andererseits sind die öffentlichen Räume, nachdem sie in der Taliban-Zeit systematisch demontiert worden waren, in einem miserablen Zustand und wenig einladend, wenngleich ihr sozialer Symbolwert intakt geblieben ist. "In der gegenwärtigen Situation ist auch eine geregelte Stadtplanung im Land nur unter Lebensgefahr möglich. Auch die Erhebung empirischer Daten war unmöglich. Die Studie, die meine Florentiner Kollegen und ich zum Begriff des öffentlichen Raums in Herat bereits publiziert haben, konnte sich daher auf gutes kartographisches Material, nicht jedoch auf belastbare empirische Daten stützen", bedauert Hinz.

Erforderlich ist den Erkenntnissen der Wissenschaftler zufolge zunächst die Erhaltung und Instandsetzung der vorhandenen öffentlichen Räume unter anderem auch durch eine entsprechende Sensibilisierung der Stadtverwaltungen und (natürlich) durch ausländische Hilfe. In dieser Hinsicht weist die Entwicklungspolitik Italiens, das für die Provinz Herat zuständig ist, noch gewisse Mängel auf.

Das Forschungsprojekt ist in den Jahren 2008 und 2009 durch die Region Toskana und die Universität Florenz finanziert worden. Im Mai 2010 findet in Florenz der Abschlusskongress mit Delegationen aus Isfahan und Herat statt, dessen Kosten von der Gerda Henkel Stiftung übernommen worden sind.

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Hinweis an die Redaktionen: Rückfragen zu dieser Pressemitteilung richten Sie bitte an Prof. Dr. Manfred Hinz, Tel. 0851 509-2850, oder an die Pressestelle der Universität Passau, Tel. 0851 509-1430.

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