Passauer Jurastudenten können Teil des Staatsexamens künftig auch in Prag ablegen
Am 15. März wird an der Universität Passau ein Kooperationsvertrag zwischen der Karlsuniversität Prag und der Universität Passau unterzeichnet. Zweck der Vereinbarung: Künftig können Passauer Jura-Studierende nicht nur einen Teil des Studiums in Prag ablegen, sondern dort abgelegte Prüfungen können auch auf das bayerische Staatsexamen angerechnet werden. Zur Vertragsunterzeichnung, die am Dienstag, 15. März, um 11.00 Uhr im Senatssaal (Nikolakloster, Raum 402) stattfindet, sind Journalisten herzlich eingeladen.
Mit der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO), die im Oktober 2003 in Kraft getreten ist, übertrug der Freistaat Bayern einen Teil der Ersten Juristischen Prüfung – des „Examens“ – den Universitäten. Diese „Juristische Universitätsprüfung“ erfolgt über den Stoff der hierzu von den bayerischen Universitäten eingerichteten Schwerpunktbereiche. Jede bayerische Universität kann die Studienprogramme innerhalb der von ihr definierten Schwerpunktbereiche eigenverantwortlich gestalten. Dadurch haben die Universitäten die Möglichkeit, sich ein eigenes Profil zu schaffen; den Studierenden bietet sich die Chance, sich neben dem von allen zu absolvierenden Pflichtstoff auf bestimmte Rechtsgebiete zu spezialisieren.
Die Universität Passau hat acht Schwerpunktbereiche geschaffen. Aufgrund ihrer hervorragenden internationalen Beziehungen war es möglich, einen hiervon dem Themengebiet „Ausländisches Recht“ zu widmen – und schärft damit weiter ihr Profil als Universität, die mit ihren internationalem Engagement bundesweit mit an der Spitze steht. Innerhalb dieses Schwerpunktbereichs wird das Recht des Landes der jeweiligen Partneruniversität im Rahmen eines einjährigen Studienaufenthaltes dort vermittelt und geprüft wird. Die Besonderheit in Passau: Die an der ausländischen Partneruniversität geleisteten Prüfungen werden auf das bayerische Staatsexamen angerechnet. Um sicherzustellen, dass die Studieninhalte und Prüfungsanforderungen der Partneruniversitäten den Standards der bayerischen Universitätsprüfung genügen, ist es jeweils nötig, diese durch bilaterale Verträge mit den Partneruniversitäten verbindlich zu regeln. „Die Juristische Fakultät der Karlsuniversität Prag stand diesem Vorhaben von Anfang an sehr aufgeschlossen gegenüber. Sie erklärte sich sofort bereit, die notwendigen Studienbedingungen zu garantieren und – soweit noch nicht vorhanden – sogar extra für die Universität Passau zu schaffen“, so Professor Dr. Professor Markus Stoffels, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Passau und Initiator dieses Kooperationsvertrags.
Künftig wird es Passauer Studenten also möglich sein, während eines einjährigen Auslandsaufenthaltes an der Karlsuniversität systematische Kenntnisse des tschechischen Rechtes zu erwerben und hierüber unmittelbar in Prag Prüfungen zu absolvieren, deren Ergebnis als bayerische Juristische Universitätsprüfung anerkannt wird.
Der Vertrag wird unterzeichnet durch den Rektor der Universität Passau, Professor Dr. Walter Schweitzer und dem Prodekan der Juristischen Fakultät, Professor Dr. Werner Beulke. Für die Prager Seite unterzeichnet während der Zeremonie der Prodekan der Juristischen Fakultät, Doc. JuDr. Milan Damohorský DrSc., die Vereinbarung.
Ein Partnerschaftsvertrag mit der traditionsreichen Karlsuniversität in Prag besteht bereits seit 1983. Er war der erste der Universität Passau mit einer ausländischen Universität. Dieser Vertrag – geschlossen zu Zeiten des „Kalten Krieges“ – diente und dient der Förderung und Vertiefung der wissenschaftlichen und pädagogischen Zusammenarbeit unter anderem zwischen der Juristischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag und der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Auf dieser Grundlage hat sich im Laufe der Jahre eine sehr rege und erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt. Gegenwärtig sind allein aus Prag jährlich im Durchschnitt sieben Gastwissenschaftler zu längeren Forschungsaufenthalten in Passau.
Die Gastwissenschaftler aus der tschechischen Republik sind u. a. in den Bereichen Verwaltungsrecht, Rechtsgeschichte und Handelsrecht tätig. Auch befassen sich mehrere Wissenschaftler mit den Themenbereichen Internationales Privatrecht und Europarecht. Besonders hervorzuheben ist allerdings eine große Gruppe von Strafrechtlern, die einen regen Austausch mit den jeweiligen Lehrstühlen der Universität Passau pflegt.
Eine weitere Wissenschaftlerin aus Prag erstellt ein Deutsch-Tschechisches Rechtswörterbuch, wofür sie sich jährlich in Passau aufhält, um ihre Recherchen über die Bibliothek der Universität durchzuführen. Von einem weiteren Wissenschaftler wird ein Fachbuch zum Schiedsverfahrensrecht in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik verfasst.
Während eines akademischen Jahres studieren an der Universität Passau derzeit üblicherweise sechs oder mehr Studenten und Graduierte aus Prag. Umgekehrt studieren regelmäßig bis zu zwei Passauer Studenten an der Karlsuniversität.
Zusätzlich hierzu finden jährlich in Prag Vorlesungen durch Passauer Dozenten statt. Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Hromadka hält Vorlesungen zu den Themen „Grundzüge des deutschen Bürgerlichen Rechts“ und „Grundzüge des deutschen Arbeitsrechts“, die bei den Prager Studenten großen Anklang finden.
Mit dieser Vertragsunterzeichnung haben Passauer Jura-Studierende nun insgesamt an drei ausländischen Partneruniversitäten die Möglichkeit, einen Teil ihres Staatsexamens „abzulegen“. Verträge mit der Universidad de Castilla-La Mancha in Toledo (Spanien) und der Westböhmischen Universität Pilsen (Tschechien) bestehen bereits. Mit der Capital University in Columbus, Ohio (USA) ist eine derartige Kooperation in Vorbereitung. Was die Auslandsaktivitäten betrifft, haben Passauer Studierende damit wieder einmal die Nase vorn.