Wie lässt sich Digitalisierung in Einklang bringen mit Nachhaltigkeit und vor allem mit dem Klimawandel? Dieser Frage widmete sich das 1. Symposium „Nachhaltigkeit im Zeitalter der Digitalisierung“ der Universität Passau gemeinsam mit ihrem Industriepartner Atos. Rund sechzig Gäste aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Wirtschaft folgten der hybriden Veranstaltung vor Ort in München-Perlach und virtuell über Zoom.
Gleich zu Beginn des Symposiums machte die Bayerische Digitalministerin Judith Gerlach klar, wie eng verknüpft mit der Digitalisierung sie die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sieht und welche wichtige Rolle in diesem Zusammenhang Wissenschaft und Wirtschaft spielen. „In den letzten Monaten haben wir uns vor allem mit der Corona-Pandemie beschäftigen müssen. Der Klimawandel aber war nicht im Lockdown. Den Schwung, den die Digitalisierung durch die Pandemie gewonnen hat, müssen wir jetzt mitnehmen“, so Gerlach in ihrem Video-Grußwort. „Wenn wir Digitalisierung als Game Changer für Klimaschutz und Nachhaltigkeit nutzen wollen, müssen wir weiter Tempo machen für die Entwicklung von digitalen Innovationen. Bayern geht hier mit der bayerischen Hightech Agenda mit Riesenschritten voran und investiert rund 3,5 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien wie KI und Quantentechnologien.“ Veranstaltungen wie dieses Symposium oder das Projekt „Energy++“, wo Forschung und Industrie in Kooperation und einen engen Austausch treten, seien ganz besonders wichtig. „Die Frage der nachhaltigen Gestaltung der Digitalisierung ist keine rein theoretische Diskussion, sie betrifft ganz konkret Wissenschaft, Wirtschaft, aber auch unsere Gesellschaft.“
Wie konkret die Digitalisierung tatsächlich unsere Gesellschaft heute schon beeinflusst, führte anschließend der Klimaforscher und Co-Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), Prof. Dr. Hartmut Graßl, an einem äußerst praxisnahen Beispiel aus: dem Wetterbericht. Woher kommen die Daten dafür? Wie werden sie erfasst? Und welche Informationen und Trends lassen sich daraus ablesen?
Dass die von Prof. Dr. Graßl trefflich beschriebene Datenwut schon lange nicht mehr nur Meteorologen erfasst hat, war unter anderem eines der Themen der einstündigen Podiumsdiskussion zu „Auswirkungen von Dekarbonisierung und der Einfluss der IT“ mit Prof. Dr. Natascha Adamowsky, Prof. Dr. Suleika Bort, Prof. Dr. Hermann de Meer, Prof. Dr. Christina Hansen und Dr. Annekatrin Meißner von der Universität Passau sowie Alexandra Knupe von Atos. Dabei wurde – bei aller Wichtigkeit des Datensammelns – auch eine gewisse Datensparsamkeit angemahnt: Selbstverständlich seien Daten essenziell, etwa als Grundlage für fundierte Entscheidungen oder z. B. Vorhersagen des Waren- oder Energieverbrauchs. Doch es gelte zu hinterfragen, welche und vor allem wie viele Daten man wirklich benötige, welche Informationen man sich daraus abzulesen erhofft und nicht zuletzt wo und wie sie gespeichert werden. Schließlich dürfe man nicht vergessen, dass jede digitale Handlung ebenfalls Energie und Ressourcen verschlingt – egal ob Internetsuche, Videostreaming oder eben die Datenspeicherung. Unser digitales Leben gleicht unseren CO2-Fußabdruck nicht automatisch aus, sondern kann schlimmstenfalls sogar dessen Vergrößerung zur Folge haben. Dieser Zusammenhang muss den Menschen ins Bewusstsein gebracht werden, darin waren sich die Diskutierenden einig.
Das Symposium war nicht nur der Auftakt einer ganzen Veranstaltungsreihe zum Themenbereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung, die in den kommenden Monaten fortgesetzt werden soll. Es war zugleich der Kick-off für das Projekt „Energy++“ der Universität Passau und Atos, das von Vizepräsident Prof. Dr. Harald Kosch und Dr. Armin Gerl vom Lehrstuhl für Informatik mit Schwerpunkt Verteilte Informationssysteme vorgestellt wurde. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts soll der Energieverbrauch eines Rechenzentrums – im Fall der Universität das Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement (ZIM) – und der dezentralen IT-Infrastrukturen an den einzelnen Arbeitsplätzen erfasst werden. Daraus wollen die Projektpartner Indikatoren ableiten, die für eine datengetriebene, strategische und energetische Optimierung genutzt werden können. „Ich freue mich, dass wir mit diesem Symposium einen überaus gelungenen Startpunkt für unser Projekt setzen und aufzeigen konnten, welchen Beitrag digitale Lösungen zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks leisten“, so Philippe Mareine, Chief Digital & Transformation Officer und Head of Corporate Social Responsibility bei Atos.
„Die Veranstaltung hat anschaulich aufgezeigt, wie wichtig es ist, Digitalisierung auch kritisch zu reflektieren, denn sie ist nicht automatisch mit Nachhaltigkeit gleichzusetzen“, resümiert Prof. Dr. Werner Gamerith, Beauftragter für Systemakkreditierung und interne Vernetzung mit der Querschnittsaufgabe Nachhaltigkeit an der der Universität Passau. „Einerseits belastet die Digitalisierung mit ihrem Ressourcenverbrauch die Nachhaltigkeitsbilanz, andererseits liefert sie neue Wege und ausgeklügelte Verfahren zur Optimierung des Umgangs mit Ressourcen.“ Und weiter betont er: „Die Universität Passau will Nachhaltigkeit nicht nur als Lippenbekenntnis führen: Projekte der Klimaneutralität sollen in den nächsten Jahren im Mittelpunkt der praktischen Bemühungen am Campus stehen, während die Forschung zur Nachhaltigkeit interdisziplinär über alle Fakultäten hinweg gezielt gefördert werden soll.“ Mit einer weiteren Veranstaltung zum Themenschwerpunkt Digitalisierung und Nachhaltigkeit soll gegen Ende des Jahres an das Symposium angeknüpft werden.