„„Wir beobachten besorgt ein sinkendes Vertrauen in die rechtstaatliche parlamentarische Demokratie. Dies muss auch die Wissenschaft herausfordern. Sie ist auf Freiheit angewiesen. Es ist somit die ureigenste Aufgabe einer Universität, mit ihren Mitteln für diese Freiheit einzutreten“, betonte Präsident Prof. Dr. Ulrich Bartosch. „Die Universität Passau stellt sich nun verstärkt der gesellschaftspolitischen Aufgabe durch Forschung und Lehre. Dabei werden Bildungsangebote zu den Themen Menschenrechte und Demokratie, insbesondere in der Lehrkräftebildung, als Transferleistung ausgebaut. Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam das Fundament dafür legen, dass die Universität Passau ein echter Hotspot der politischen Bildung in Deutschland wird.“
Das Labor Demokratiebildung wird als interdisziplinäre wissenschaftliche Einrichtung der Universität Passau in den Bereichen Forschung, Lehre und Transfer tätig sein und insbesondere für künftige Lehrkräfte Angebote der politischen Bildung zur Stärkung einer offenen und liberalen Demokratie entwickeln. Ziel ist es, Erfahrungen, Biografien und historische Zeugnisse sprechen zu lassen, damit jüngere Generationen die Wirkungen totalitärer Regime und ihrer Gefahren begreifen, ohne diese selbst durchleben zu müssen.
„Wir wollen Demokratie im Sinne einer ‚Lernenden Demokratie‘ als eine fortwährende Entwicklungsaufgabe verstehen“, erläuterte Inken Heldt in ihrer Ansprache. „Für die Entwicklung braucht es kollektive Lernprozesse, und zwar über demokratische Wertegrundlagen. Es geht um die Reflexion und Weiterentwicklung dieser Wertegrundlagen.“ Genau hier komme die Wissenschaft ins Spiel, so Heldt: „Forschung zu Demokratiebildung macht weitaus mehr, als die sozial-politische Realität für die Bildungspraxis aufzubereiten. Sie wirkt vielmehr selbst als eine Art Hervorbringungspraxis von Demokratiebildung.“ Besonders Forschung im Kontext von Lehramtsausbildung tragedabei eine große Verantwortung. Denn wer heute Lehrer oder Lehrerin werde, präge morgen das demokratische Bewusstsein einer ganzen Generation.
Der Wert von Grund- und Menschenrechten in Demokratien soll vor dem Hintergrund von Diktaturerfahrungen reflektiert werden. Die Diktaturen des 20. Jahrhunderts bilden hierbei den historischen Bezugsrahmen. Im Fokus stehen Lebenswelten von Personen, die durch den Terror der nationalsozialistischen Diktatur gezeichnet waren und den Mut aufbrachten, Widerstand zu leisten. Zudem werden Lebenserfahrungen von Menschen aus der DDR berücksichtigt, die in der SED-Diktatur die Kraft zu Resistenz und Opposition fanden. Dabei sollen auch Erfahrungen aus heutigen totalitären Systemen berücksichtigt werden.
Das Labor arbeitet in Kooperation mit der Schwarz-Jany Stiftung sowie der Reiner und Elisabeth Kunze Stiftung. Neben der Forschung und Lehre sollen auch Bildungsangebote für die Öffentlichkeit entwickelt werden. Durch die Kooperation mit der Reiner und Elisabeth Kunze werden künftig Ausstellungen und Veranstaltungen in einem geplanten Ausstellungs- und Dokumentationshaus in Obernzell-Erlau möglich sein.
„In unserem Labor Demokratiebildung, wollen wir Erfahrungen, Biografien, historische Zeugnisse sprechen lassen, damit die jüngeren Generationen die Wirkungen totalitärer Regime und ihrer Gefahren begreifen, ohne diese selbst durchleben zu müssen. Wir werden Lebenswelten – und damit Fragen des alltäglichen Lebens – in Diktaturen erforschen, analysieren und didaktisch aufbereiten“, so die Historikerin und Kunze-Expertin Dr. Linda von Keyserlingk-Rehbein.
Ein vorbereitendes Seminar im Sommersemester 2025 mit dem Titel „Diktaturerfahrungen in der DDR. Reflexion von Fallbeispielen für die politische Bildung“ richtete sich insbesondere an Lehramtsstudierende und widmete sich den Lebenswelten im Sozialismus jenseits der Konformität. Der 1976 erschienene, weltweit gelesene Prosaband von Reiner Kunze „Die wunderbaren Jahre”, der in der DDR verboten blieb, diente dabei als Referenzrahmen für Themen wie Menschenrechte, politische Indoktrination von Kindern und Jugendlichen, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.
Zusätzlich fanden im DiLab der Universität Passau zwei Sitzungen mit Zeitzeugengesprächen statt, das erste mit Peter Richter über Kindheit und Jugend in der DDR, das zweite Bernd und Elke Dämmrich über Fluchtversuch und Haft in der DDR. Zudem konnten die Seminarteilnehmenden am Theater Regensburg die Inszenierung von „Die wunderbaren Jahre” als Kammeroper erleben und ins Gespräch mit dem Komponisten Thorsten Rasch und der Regisseurin Sabine Sterken kommen.