Das schlaue Gerät ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Amft, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik mit Schwerpunkt Sensorik an der Universität Passau. Die Wissenschaftler haben sich intensiv mit den negativen Auswirkungen von blauem Bildschirmlicht beschäftigt. Denn blaues Licht kann die Wach-Schlaf-Phase stören: „Wenn Sie abends drei Stunden lang am Bildschirm Mails schreiben, können Sie danach wahrscheinlich schlechter einschlafen“, sagt Florian Wahl, Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Amft.
Die Brille, die das Passauer Team entwickelt hat, misst mit Hilfe eines winzigen Sensors im Nasensteg die Lichtintensität. Per Bluetooth kann das Gerät beispielsweise mit dem Handy verbunden werden und Alarm schlagen, sobald die beste Einschlafzeit gefährdet ist. Der Sensor in der Brille kann auch mit einem Programm verbunden werden, das das Farbprofil des Bildschirms automatisch anpasst.
Das Neue an der Brille: Hinter dem kleinen Loch in der Brücke versteckt sich ein 2 auf 2,5 Millimeter großer Sensor, der die Lichteinstrahlung auf die Augen exakt erfassen kann. In bisherigen Studien wurde diese mit Hilfe von Geräten am Handgelenk erfasst. „Das verfälscht aber die Ergebnisse, da Sie sich ja mit den Augen von der Lichtquelle abwenden können“, erklärt Wahl.
Brille aus dem 3D-Drucker
Außerdem handelt es sich bei der Brille um das Ergebnis eines 3D-Drucks: Das heißt, dass die Wissenschaftler die Brille exakt der jeweiligen Kopfform anpassen können. Sie müssen bei den Druckeinstellungen im Vorfeld die richtigen Maße eingeben.
Drei Jahre lang hat sich das Team um Professor Amft intensiv mit der Wach-Schlaf-Wirkung von Licht, insbesondere Bildschirmlicht, auseinandergesetzt. Das Ergebnis: Am Abend ist Fernsehschauen weniger schädlich für den Biorhythmus als das Beantworten von Mails.
Lesen auf dem Computer-Bildschirm ist 48-mal lichtintensiver als Fernsehen
Die Forscherinnen und Forscher bauten zum Testen eine Art Black Box, damit kein Licht von außen die Ergebnisse stören konnte. In der Black Box kam ein Spektrometer, das die Lichtstrahlung genau messen kann, und ein LED-Bildschirm zum Einsatz. Auf dem Bildschirm ließen die Forscher zunächst ein Programmiertutorial laufen und im Anschluss einen James-Bond-Trailer. Das Ergebnis: Der James-Bond-Trailer lieferte nur ein Drittel der Lichtintensität, da der Bildschirm dunkler war. Bei dem Tutorial hingegen war der Hintergrund hell und somit die Mehrzahl der Pixel weiß, wie dies meistens bei der Bildschirmarbeit der Fall ist.
Die Forscher ermittelten weiter, dass auch die Distanz zum Bildschirm eine große Rolle spielte: „Die Lichtintensität fällt quadratisch zur Entfernung ab“, sagt Wahl. Wenn sich also der Abstand verdoppelt, sinkt die Lichtintensität um ein Vierfaches. Meist sitzen die Zuschauerinnen und Zuschauer mindestens viermal so weit vom Fernseher entfernt als vom Bildschirm. Das senkt die Lichtintensität bereits um ein 16-faches. Hinzu kommt, dass die Bilder auf dem Fernseher sehr viel dunkler sind, der Faktor also – wie im Black-Box-Experiment ermittelt – nochmal um ein dreifaches sinkt. Die Lichtintensität vor dem Fernseher beträgt somit typischerweise 1/48stel der Belastung des Bildschirms.
Die schlaue Brille ist ein Projekt im Rahmen von OnTime, einem Forschungsvorhaben, das sich mit der Wach-Schlaf-Phase befasst. Der Lehrstuhl von Professor Amft ist hier Partner im Bereich Technologie.
Die Brillen aus dem 3D-Drucker kommen am Lehrstuhl von Professor Amft auch in anderen Projekten zum Einsatz. „Eine zentrale technische Herausforderung ist, dass die intelligenten Brillen genauso alltagstauglich sind wie herkömmliche Brillen und doch viel mehr bieten“, sagt Prof. Dr. Amt. Es werden Lösungen im medizinischen Kontext für verschiedene Gesundheits-Anwendungen von intelligenten Brillen im Alltag entwickelt.
Zum Beispiel als Ernährungsbrille, die die Aktivitäten des Kaumuskels analysiert und so das Ernährungsverhalten zuverlässig erkennen kann. Glauben Sie nicht? Probieren Sie die Brille aus: Am 7. Juli stellen die Wissenschaftler das Gerät am Tag der Offenen Tür an der Universität Passau vor. Freitag, 7. Juli, 15 bis 18 Uhr, Mitmach-Stand im Foyer des ITZ.
Derzeit testet das Passauer Team den Einsatz der Brille, um die Herzfrequenz des Trägers oder der Trägerin zu überwachen: Dies geschieht mit Hilfe von optischen Messmethoden, wie sie bereits bei der Pulsoxymetrie angewandt werden. Dieses Verfahren misst etwa an den Fingerspitzen, wie viel Licht die Haut absorbiert, was wiederum Rückschlüsse auf die Sauerstoffsättigung zulässt. Die Brille, die Herzfrequenzen messen kann, könnte insbesondere für Ältere und Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten interessant sein: Denn Ärztinnen und Ärzte können damit buchstäblich ein Auge auf den Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten werfen, während diese weiter ihren Alltag in der gewohnten Umgebung verbringen können.