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Vollautomatisiert und fahrerlos – Projekt UNICARagil zeigt, wie fahrerloses Fahren im Normalverkehr sicher funktioniert

Nach fünf Jahren intensiver Zusammenarbeit haben heute 17 Universitäten und Unternehmen der Öffentlichkeit vier vollständig autonome Fahrzeug-Prototypen präsentiert, die zeigen, wie zukünftige Mobilität gelingen und gleichzeitig komplexe Anforderungen aus dem persönlichen und öffentlichen Verkehr sowie des Gütertransports erfüllen kann. Beteiligt an dem Forschungsprojekt ist auch ein Forschungsteam der Universität Passau unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Katzenbeisser.

| Lesedauer: 4 Min.

Die vier Fahrzeuge, die im Projekt UNICARagil entwickelt wurden: autoSHUTTLE, autoTAXI, autoELF und autoCARGO, Foto: Timo Woopen

Die vier Fahrzeuge, die im Projekt UNICARagil entwickelt wurden: autoSHUTTLE, autoTAXI, autoELF und autoCARGO, Foto: Timo Woopen

Bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus einem steigenden Mobilitätsbedarf und der fortschreitenden Urbanisierung ergeben, werden automatisierte elektrische Fahrzeuge eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie schaffen die Grundlage für einen nachhaltigen und intelligenten Straßenverkehr, neuartige Mobilitäts- und Transportkonzepte sowie Verbesserungen der Verkehrssicherheit und Lebensqualität im urbanen und ländlichen Raum.

Dafür geeignete Fahrzeugkonzepte erfordern eine wesentlich zentralisiertere und leistungsfähige Informationsverarbeitung und -übertragung im Kraftfahrzeug und damit eine Abkehr von etablierten Architekturen und Prozessen. Im Rahmen des vom BMBF mit rund 32 Millionen Euro geförderten Projekts UNICARagil wurde das Fahrzeug, seine Entwicklung und die darunterliegenden Architekturen revolutionär neu gedacht. Ziel des Projekts war es, gemeinsam mit den führenden deutschen Universitäten im Bereich des automatisierten Fahrens und ausgewählten Forschern aus der Industrie ein von Grund auf neues Mobilitätskonzept zu erschaffen. Dabei wurde bewusst darauf verzichtet, aktuelle Fahrzeuge umzubauen oder zu erweitern. Das Projektkonsortium hat früh entschieden, eine komplett neue Fahrzeugstruktur ohne die Altlasten aktueller Fahrzeuge zu entwickeln. 

Neuartige Fahrzeugarchitektur

Dazu zählt die Kombinierung von Fahrwerk und Antrieb in vier sogenannten Dynamikmodulen, die jeweils ein einzelnes Rad antreiben, lagern, lenken und bremsen. Dank einer neuartigen Radführung kann jedes Rad um 90° gelenkt werden, sodass die Fahrzeuge auch seitlich einparken können. Des Weiteren verfügt jedes UNICARagil-Fahrzeug über ausgefeilte Steuerungsintelligenz, die mithilfe von vier einheitlich gestalteten Sensormodulen eine intelligente Umfelderkennung ermöglicht. 

Die neuartige Fahrzeugarchitektur ist flexibel erweiterbar und verfügt über eine updatefähige Software- und Hardwarestruktur. Ähnlich wie beim menschlichen Gehirn, das bei kleineren Verletzungen Aufgaben auf andere Hirnareale überträgt, basieren die UNICARagil-Prototypen auf einer auf mehreren Ebenen ausgelagerten Rechnerstruktur, welche das sogenannte Großhirn mit dem Stammhirn und dem Rückenmark verbindet und alle anfallenden Aufgaben mehrfach absichert. Der funktionale Fahrzeugaufbau erlaubt das effiziente Einspielen von Software-Updates und die sichere Kommunikation mit externen Akteuren wie einer Cloud und der Straßeninfrastruktur.

Universität Passau liefert Lösungen zur IT-Sicherheit

Die Sicherheit erreicht im anbrechenden Zeitalter selbstfahrender Fahrzeuge einen noch höheren Stellenwert als sie bereits jetzt in der Automobilität innehat, weil der Mensch als Rückfallebene wegfällt. „Nichtsdestotrotz wird das autonome Fahren langfristig zu einer Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit führen“, sagt Prof. Dr. Stefan Katzenbeisser vom Lehrstuhl für Technische Informatik der Universität Passau, der als Mitglied des UNICARagil-Konsortiums die digitale Absicherung der Fahrzeuge verantwortet. „Immerhin können die meisten Unfälle heutzutage, egal ob leichter oder schwerer Art, auf menschliches Versagen zurückgeführt werden und nur in den wenigsten Fällen liegt eine rein technische Ursache zugrunde.“ 

Unter der Katzenbeissers Leitung wurden an der Universität Passau zahlreiche Lösungen aus dem Bereich der IT-Sicherheit für die sichere Gestaltung vollautomatisierter Fahrzeuge entwickelt. Dazu zählen zum Beispiel die Detektion und Abwehr von Cyberangriffen, die das Passagierwohl gefährden könnten. „Viele Menschen sind bereits mit Viren auf dem heimischen Computer in Kontakt gekommen und fragen sich nun, wie ein selbstfahrendes Fahrzeug bei Befall reagieren würde. Die gesellschaftliche Akzeptanz für das autonome Fahren bedingt daher ein durchgehend sicher gestaltetes Fahrzeugsystem“, erklärt Dominik Püllen als verantwortlicher Projektmitarbeiter des Lehrstuhles für Technische Informatik. Deswegen ist IT-Sicherheit seit den frühen Projektstunden ein integraler Bestandteil aller Projektprozesse. 

Fahrzeuge im Live-Test

Bei der heutigen Ergebnispräsentation des UNICARagil-Projektes auf dem Aldenhovener Testing Center wurden der Öffentlichkeit vier Fahrzeuge vorgestellt, die einem Baukastenprinzip folgen, das eine einheitliche Fahrzeugplattform bietet und je nach Einsatzszenario mit unterschiedlichen Kabinen ergänzt werden kann: Das autoCARGO ermöglicht die vollautomatische Paketauslieferung, das autoTAXI fungiert als Taxi der Zukunft für den „kurzen Weg“, das autoSHUTTLE als Ergänzung des ÖPNV, gerade auf nicht stark frequentierten für eine gelingende Mobilitätswende in ländlichen Gebieten, und die autoELF als privates Familienfahrzeug. Vor Ort bestand die Möglichkeit, mit den prototypischen Fahrzeugen mitzufahren und zu erleben, wie sich eine vollautomatisierte fahrerlose Fahrt im städtischen Mischverkehr anfühlt.

Über das Projekt

Seit dem Projektstart im Februar 2018 forschten über 100 Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie 15 Professoren an innovativen Konzepten für fahrerlose Fahrzeuge und deren Umsetzung. Die Zusammenführung der Kompetenzen der verschiedenen Projektpartner auf ihren jeweiligen Fachgebieten hat maßgeblich dazu beigetragen, die komplexen Fragestellungen des fahrerlosen Fahrens aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und so neue interdisziplinäre Lösungsansätze zu identifizieren und umzusetzen. Auf den Erkenntnissen des Projektes können Fahrzeughersteller aufbauen und für zukünftige Fahrzeuge übernehmen. Das bereits gestartete Folgeprojekt AUTOtech.agil versucht unter Mitwirkung der Universität Passau noch offene Fragen aus der open source Soft- und Hardwarestruktur zu adressieren.

Projektpartner sind: 

  • RWTH Aachen University (Institut für Kraftfahrzeuge, Lehrstuhl Informatik 11 - Embedded Software, Lehrstuhl und Institut für Flugsystemdynamik, Lehrstuhl für Controlling),
  • TU Braunschweig (Institut für Regelungstechnik, Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze),
  • TU Darmstadt (Fachgebiet Fahrzeugtechnik, Fachgebiet Physikalische Geodäsie und Satellitengeodäsie),
  • Technische Universität München (Lehrstuhl für Ergonomie, Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik),
  • Universität Stuttgart (Institut für Fahrzeugtechnik),
  • Universität Ulm (Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik),
  • Karlsruher Institut für Technologie (Institut für Mess- und Regelungstechnik, Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme),
  • Universität Passau (Lehrstuhl für Technische Informatik)
  • Atlatec GmbH,
  • flyXdrive GmbH,
  • iMAR Navigation GmbH

Mehr Informationen zum Projekt: https://www.unicaragil.de/de/ 

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