Eiserner Vorhang, Flucht und Vertreibung, Nazi-Terror – ein Blick in die jüngere Geschichte verrät, warum eine offene Grenze wie sie zwischen Deutschland und Tschechien seit 2007 existiert nicht ausreicht, um eine Atmosphäre der Offenheit zwischen den Menschen der Grenzregionen zu schaffen. Andreas Michler, Professor für Didaktik der Geschichte an der Universität Passau und seine Kollegin von der Südböhmischen Universität Budweis, PhDr. Jana Zahradníková, wollen das gemeinsam ändern. Mit ihrem EU-geförderten Projekt „Geschichtsbausteine Bayern – Böhmen / ?esko-bavorský d?jepis“ setzen sie vor allem bei den Jüngsten an. Über drei Jahre und mit einem Gesamtetat von fast 280.000 Euro wollen sie bei Schülerinnen und Schülern des bayerisch-tschechischen Grenzraumes ein verstärktes Interesse am jeweiligen Nachbarn wecken und bieten Lehrkräften Unterrichtsmaterialien u. a. über den Handelsweg Goldener Steig, Umweltgeschichte oder das KZ Flossenbürg an.
Prof. Michler arbeitet bereits seit mehreren Jahren an Lehrkonzepten, um Deutsche und Tschechen einander näher zu bringen: „Mit dem vermeintlich Fremden lässt sich leichter umgehen, wenn ich die historischen Gründe für das Fremd-Sein kenne. Wenn ich weiß, was uns trennt und was uns verbindet, kann ich leichter auf den anderen zugehen.“ Im neuen Projekt konzipieren seine Mitarbeiter Miloslav Man und Diana Stock-Megies gemeinsam mit Studierenden aus Passau und Budweis Unterrichtsbausteine, Schulworkshops, museumspädagogische Programme und Lehrerfortbildungen. Diese testen sie einerseits selbst: Bei einem ersten Workshop in Budweis mit jüngeren Schülern starteten die Mitarbeiter etwa mit Übungen zur Volkskunde – welche Sitten und Gebräuche gleichen sich, wer hat zuerst Maibäume aufgestellt, etc. In den oberen Stufen behandeln sie auch die sensibleren Themen wie Flucht und Vertreibung – etwa mit Gruppenaufgaben zum Leben der Deutschen in Krumau (Cesky Krumlov), einem Besuch im dortigen Museum und der Frage, wie und aus welcher Perspektive dort die Geschichte dargestellt wird.
Andererseits bieten die Projektmitarbeiter den Lehrkräften fertige Stoffsammlungen und Projektideen, die diese dann eigenständig umsetzen können. Für Museen, Gedenkstätten und Heimatstuben gestalten sie zu grenzüberschreitenden Themen zweisprachige museumspädagogische Programme für Schülergruppen.
Gerade die bayerisch-böhmische Regionalgeschichte biete eine Fülle von Themen, die über das reine Schulbuchwissen hinausgehen, so Michler. Und denkt dabei etwa an die engen mittelalterlichen Handelsbeziehungen, die die Orte entlang der Verkehrswege reich werden ließen – was sich in zum Teil sehr ähnlichen Stadtbildern auf beiden Seiten der heutigen Grenze niederschlage. „Das alles sind Ansatzpunkte, dass sich junge Menschen auch heute wieder als Teil einer gemeinsamen Region verstehen.“ Als Projektidee stellt er sich etwa Patenschaften einzelner Klassen für Abschnitte des Goldenen Steigs vor – in Kombination mit Wissenschaftlern der Universität Passau und des Museums Prachatice. „Das kann sich z. B. in selbst erarbeiteten Infotafeln niederschlagen. Wichtig ist vor allem das Bewusstsein: Erinnerung ist ein flüchtiges Gut. Sie muss immer wieder neu geschaffen und gepflegt werden“, sagt Michler.
Die EU-Förderung biete nun die Möglichkeit, diesen Ansatz breiter in der Region zu streuen. „Auf deutscher Seite haben wir durch unsere bisherige Arbeit bereits ein gutes Netzwerk in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Waldkirchen. Mit den neuen Mitteln wollen wir nun auch verstärkt in und um Passau aktiv werden.“
Weitere Informationen und Ansprechpartner unter www.geschichtsbausteine.uni-passau.de
Finanziert wird das zweisprachige Drittmittelprojekt „Geschichtsbausteine Bayern – Böhmen / ?esko-bavorský d?jepis“ durch das Interreg IV A-Programm der Europäischen Union unter Beteiligung der beiden Universitäten Passau und Budweis.
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