Für die Europäische Union ebenso wie für Deutschland ist die Türkei als Wirtschaftspartnerin von zentraler Bedeutung, dies hob auch der Botschafter der Republik Türkei in Deutschland, Ahmet Başar Şen, hervor. Er gab zum Auftakt der durch Dr. Fritz Audebert moderierten Veranstaltung einen Einblick in die Herausforderungen, die das Land vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine besonders beschäftigen, und einen Ausblick auf die Themen, die Deutschland und die Türkei zukünftig im Ausbau ihrer bilateralen Beziehungen noch stärker fordern werden, allen voran die Gründe Wende.
Auf große, teilweise noch kaum genutzte Potenziale der Türkei, die mit dem diffusen Image des „Brückenlands“ zwischen Europa und Asien immer wieder ringt, ging Prof. Dr. Ernst Struck ein. Der Anthropogeograph und Vertreter der Universität Passau im Konsortium der Türkisch-Deutschen Universität nahm das Publikum mit auf eine Bilderreise zu den Landschaften, Kulturschätzen und Eigenheiten der Türkei, die aus seiner Sicht wie kaum ein anderes Land dafür geeignet ist, Grenzen und Differenzen zu integrieren und zu überwinden. „Die Türkei von einer Brücke in einen Treffpunkt, einen kulturellen Inkubator zu transformieren, wäre eine zukunftsweisende Strategie“, so Struck.
Die Türkei in ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen besser zu verstehen, dabei halfen Dr. Markus Slevogt, Präsident der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Istanbul, sowie in einer Liveschaltung der ARD-Korrespondent Oliver Mayer-Rüth. Der Journalist skizzierte im Gespräch mit dem ehemaligen Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks Prof. Sigmund Gottlieb sehr eindrücklich auch die Herausforderungen, die insbesondere ausländischen Medien in der Türkei begegnen können.
Über die besonderen Herausforderungen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit tauschten sich Hüseyin Gelis (Siemens Türkei), Iffet Türken (Kässbohrer Fahrzeugwerke) und Steven Young (Dalgakıran Kompresör) mit Moderatorin Ursula Unger (BMW Group) aus – nicht ohne dabei auch die Synergien zwischen beiden Ländern und die daraus erwachsenden Innovationspotenziale herauszuheben. Das „Wagnis“ der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) und ihre heutige Bedeutung für den wissenschaftlichen Austausch war Thema eines Bühnengesprächs mit dem Rektor der TDU Prof. Dr. Halil Akkanat und der Präsidentin des TDU-Konsortiums Prof. Dr. Dr. h.c. Rita Süssmuth. Akkanat erinnerte sich mit Humor an die Anfänge der TDU „mit drei Personen und einem Neun- Quadratmeter-Zimmer“. Heute sind rund 2.500 Studierenden an fünf Fakultäten eingeschrieben, viele von ihnen in mehrsprachigen Doppelstudiengängen, zu denen auch die beiden Partnerangebote der Universität Passau – der Masterstudiengang Interkulturelles Management/Kulturwirtschaft sowie das Bachelor-Programm Medien und Kommunikation/Kulturwissenschaften – gehören. Aus Süssmuths Sicht ist die TDU zum wegweisenden Modellprojekt für interkulturelle Zusammenarbeit geworden: „Diese Universität sollte zeigen, dass wir gemeinsam etwas verändern und miteinander leben können, auch wenn wir aus unterschiedlichen Kulturen kommen“, so die ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestags.
Süssmuth wandte sich in ihrer Dinnerspeech mit einem leidenschaftlichen Appell an das Publikum, auch in den aktuell beklemmenden Zeiten weiter an die Macht und die Möglichkeiten der Völkerverständigung zu glauben. „Es wird immer wieder Menschen, gerade auch junge Menschen geben, die die Tatkraft, den Mut und die Ideen haben, Initiativen zur Problemlösung auf den Weg zu bringen“, sagte Süssmuth auch mit Blick auf die Start-ups, die Absolventinnen und Absolventen der Universität Passau und der TDU am Abend präsentierten. Einer Wissenschaft, die sich nicht allein auf Wissen konzentriere, sondern umfassende Bildung zu ihrem Anliegen mache, komme hierbei eine besondere Rolle zu. „Wir dürfen nicht aufhören, unseren Beitrag dazu zu leisten“, so Süssmuth. „Hört nicht auf, zu denken, zu fragen und zu lernen!“