Am 4. Juni 2025 fand im UniLive-Raum der Universität Passau ein hochaktueller Vortrag zur Zukunft der Infektionsmedizin statt: Lothar Pietrek, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht sowie Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, beleuchtete die Chancen und Herausforderungen von Phagentherapien als mögliche Antwort auf das wachsende Problem antimikrobieller Resistenzen (AMR).
Trotz einer eher kleinen Runde entwickelte sich eine angeregte Diskussion um eine Frage, die immer mehr an Dringlichkeit gewinnt: Was tun, wenn Antibiotika nicht mehr wirken? Bereits heute verlieren viele Antibiotika ihre Wirksamkeit – eine Entwicklung, die nicht nur die Weltgesundheitsorganisation als alarmierend einstuft.
Pietrek zeichnete zunächst die historische Entwicklung nach: Phagen – Viren, die gezielt Bakterien angreifen – wurden bereits im frühen 20. Jahrhundert zur Behandlung von Infektionen eingesetzt, gerieten jedoch durch den Siegeszug des Penicillins in Vergessenheit. Heute rücken sie angesichts zunehmender Resistenzen wieder in den Fokus. Doch so vielversprechend die Phagentherapie auch ist – der Weg zur Anwendung in der EU ist steinig. Denn Phagen sind biologische Wirkstoffe, die sich ständig weiterentwickeln, oft individuell auf Patient:innen abgestimmt werden müssen und sich schwer standardisieren lassen. Für große Pharmakonzerne ist das wirtschaftlich kaum attraktiv, da sich diese Produkte nicht im großen Maßstab vermarkten lassen.
Auch rechtlich stellen sich zahlreiche Hürden: Sollen Phagen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) oder als Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) eingestuft werden? Beides zieht strenge und kostenintensive Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) nach sich.
Ein weiteres zentrales Thema: Wer trägt die Kosten? Im deutschen System der gesetzlichen Krankenversicherung gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot – eine Phagentherapie würde demnach nur dann erstattet, wenn keine kostengünstigere, gleichwohl wirksame Alternative mehr vorhanden ist. Zwar wurde mit dem PhagoFlow-Projekt ein erster Schritt zur Erprobung in Deutschland gemacht, gefördert vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses. Doch die Frage bleibt, wie eine flächendeckende Versorgung aussehen könnte.
Pietrek schloss mit einem vorsichtigen Ausblick: Denkbar sei in Zukunft eine kombinierte Abgabe von Antibiotika und Phagen, um der Resistenzbildung vorzubeugen. Bis dahin seien aber politischer Wille, klare rechtliche Rahmenbedingungen und ein gesellschaftlicher Diskurs notwendig.
Der Abend bot einen spannenden Einblick in ein medizinisch wie rechtlich komplexes Thema – und unterstrich, dass die Zeit drängt, um handlungsfähige Alternativen zur klassischen Antibiotikatherapie zu etablieren.